Die Porzellanmalerin
Maler, als er an ihr vorbei zur Tür schlurfte.
Er trug nur ein Hemd und eine weite Hose. Das Hemd hing über dem Bund. Die Strümpfe hatte er ganz weggelassen, sodass seine stark behaarten Waden sichtbar wurden. Statt Schuhen trug er Bastschlappen. Sein Gesicht war rot vor Hitze, die Haare klebten ihm am Kopf. Als wäre ihm sein Aufzug plötzlich bewusst geworden, schaute er zweifelnd an sich hinunter und fing an, sich das Hemd in die Hose zu stopfen.
»Ob die in Meißen auch so verlottert rumlaufen? Was wird dieser vornehme Herr wohl von uns denken, wenn er uns so sieht?«
Friederike traute ihrer Stimme nicht und beschloss, vorsichtshalber keine Antwort zu geben. Sie war schon froh, dass die Beine ihr gehorchten, als sie wie in Trance hinter Benckgraffs Gehilfen und Johannes Zeschinger den Flur entlang zum Direktorenbureau ging. Da vorne war die Tür nach draußen. Aber sie bog nicht nach links ab, sondern wankte hinter den beiden anderen die Treppe hinauf. Der Gang zum Schafott konnte nicht viel schlimmer sein. Sie wischte ihre feuchten Hände an den Oberschenkeln ab und versuchte, ihren Atem zu kontrollieren. Der Gehilfe drückte die Klinke zu Benckgraffs Stube hinunter und trat zur Seite, um Johannes und sie vorbeizulassen.
Simon Feilner hatte offenbar kurz vor ihnen den Raum betreten; er stand direkt neben der Tür und nickte ihnen mit ernstem Gesicht zu. Wie immer stand das braune Haar des Oberpfälzers in wilden Büscheln von seinem Kopf ab. Im Gegensatz zu Johannes war er aber korrekt gekleidet und schien unter der Hitze kaum zu leiden.
Friederike sah nicht mehr als zwei dunkle Schattenumrisse am Fenster. Die Nachmittagssonne blendete so stark, dass sie keine Einzelheiten unterscheiden konnte. Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, meinte sie ein Grinsen auf dem Gesicht der rechten Gestalt zu sehen. Man hatte sie erkannt; wer auch immer dieser Meißener Neuankömmling war, er hatte sie erkannt. Sie trat in den Raum hinein und ergriff instinktiv die Flucht nach vorn.
«Welch eine Freude, Sie wiederzusehen, werter Kollege!«, rief sie und streckte die Hand aus. »Sie erinnern sich vielleicht an mich: Friedrich Christian Rütgers, ebenfalls aus Meißen. Wir haben kurz zusammengearbeitet.« Ihre Stimme klang weniger aufgeregt als befürchtet.
Caspar Ebersberg nahm ihre Hand in die seine. Trotz der unerträglichen Hitze war sie trocken und fest. Er blickte ihr tief in die Augen, so als hätten sie sich erst am Vortag zuletzt gesehen.
»Wer würde sich nicht an Sie erinnern, lieber Herr Rütgers?«, erwiderte er mit seiner stets ein wenig heiseren Stimme. »Jemanden wie Sie vergisst man nicht so schnell. Noch dazu hat mir Herr Benckgraff bereits berichtet, was für eine ausgezeichnete Arbeit Sie hier leisten.«
»Ja, für Meißener ist es leicht, bei uns in Höchst Arbeit zu finden, seitdem Rütgers da ist. Wenn Ihr alle so tüchtig seid …«, schaltete sich Benckgraff ein, der schon wieder hinter seinem Schreibtisch stand und in irgendwelchen Akten wühlte.
Caspar hielt ihre Hand noch immer fest und grinste so breit, dass Friederike es wieder mit der Angst zu tun bekam. Waren Benckgraff und die beiden Kollegen wirklich so naiv, dass sie nicht mitbekamen, was hier ablief?, fragte sie sich. Bei der Art von Begrüßung konnte man doch nur misstrauisch werden!
Aber als Caspar ihre Hand nach einer angedeuteten Verneigung losließ und sich dem Obermaler zuwandte, konnte auch sie sich eines Schmunzelns nicht mehr erwehren. Fast hätte sie vor Erleichterung laut aufgelacht, ja sie musste sogar ein Glucksen in der Kehle unterdrücken. Der geheimnisvolle Fremde war niemand anders als Caspar, ihr Freund Caspar, und er schien ihr Spiel ohne jeden Vorbehalt mitzuspielen. Er würde sie nicht verraten, nein, sie hatte keinen Grund mehr, irgendetwas zu befürchten!
»Ihre Wiedersehensfreude scheint durchaus groß zu sein«, wunderte sich Benckgraff. »Sie haben mir ja ganz verschwiegen, dass Sie sich so gut mit Herrn Rütgers verstanden haben, Herr Ebersberg.« Er ließ seinen Blick fragend zwischen Caspar und Friederike hin und her schweifen.
»Ja, es ist etwas Wunderbares, in der Fremde vertraute Menschen wiederzutreffen.« Caspar hatte in einer eleganten fließenden Bewegung seinen Arm um Friederikes Schultern gelegt und sie sanft an sich gedrückt. Strahlend nickte er Benckgraff zu. »Den Kollegen Rütgers hier zu haben ist mir eine große Empfehlung für Ihr Haus, Direktor
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