Die Porzellanmalerin
Kronengasse einbogen, sah Friederike schon von Weitem Anna vor ihrer Haustür stehen, auf dem Arm die kleine Elisabeth, die tagsüber bei Josefine war. Die Freundin stand im Türrahmen und verabschiedete die beiden. Sie trug eine große Schürze über dem Mieder und hatte die Haare auf Papierwickler gedreht. Bei Caspars Erscheinen verstummte Josefine, und Anna wurde rot.
»Das ist ein neuer Kollege aus der Manufaktur. Caspar Ebersberg aus Meißen. Das ist meine Zimmerwirtin Josefine Heller, und das ist Anna Schmidt, eine Bekannte von uns. Und das ist Lisbeth«, schloss Friederike die Begrüßungsrunde ab.
»Ja, dann kommen Sie mal rein! Und herzlich willkommen in Höchst!«, besann sich Josefine ihrer Gastgeberpflichten.
Auch Anna hatte es sich nicht nehmen lassen, noch einmal mit ins Haus zu kommen. Einen neuen Mann am Ort konnte sie sich natürlich nicht entgehen lassen. Friederike wusste nicht, ob sie sich über ihre Aufdringlichkeit ärgern oder sie lustig finden sollte. Als sie in die Küche kamen, hatte Anna ihre natürliche Gesichtsfarbe zurückgewonnen und drückte ihr die kleine Lisbeth in den Arm.
»Diese Hitze ist wirklich entsetzlich!«, stöhnte sie und band ihre Haube auf. Die Haarnadeln flogen nach allen Seiten, als sie ihre rabenschwarzen Locken schüttelte, trotzdem löste sich nur
ein Teil der Frisur. Wie ein zerrupftes Vogelnest, dachte Friederike, jedenfalls nicht wirklich verführerisch.
»Puh, das ist schon viel besser«, seufzte Anna.
Warum benahm sie sich nur so unpassend? Wie eine Schlampe sah sie aus. Auch Josefine hätte sich schon längst etwas überziehen sollen oder zumindest die Wickler aus dem Haar nehmen können! Für so einen wie diesen Caspar war das gut genug, dachte sie wohl. Friederike ärgerte sich, dass die Freundinnen sich so gehen ließen.
Doch Caspar schien das nicht im Geringsten zu stören.
»Ja, diese Hitze ist wirklich unerträglich.« Er strahlte die beiden Frauen an. »Die Kutsche, mit der ich aus Frankfurt gekommen bin, musste alle paar Meilen halten, weil die Pferde sich weigerten weiterzugehen, solange sie nichts zu trinken bekamen.«
»Na, dann kommen Sie mal mit in den Garten!« Josefine schob ihren Gast zur Küchentür hinaus. »Hier ist es etwas kühler.« Als sie merkte, dass auch Anna Anstalten machte, ihnen in den Hof zu folgen, fragte sie ungewohnt scharf: »Ach, wolltest du nicht Lisbeth ins Bett bringen, Anna?«
Gekränkt starrte die junge Mutter ihre Freundin an. Zögerlich setzte sie schließlich ihre Haube wieder auf, stopfte sich die Haare darunter und nahm Friederike das an deren Schulter schlummernde Kind ab.
Friederike bückte sich nach den Haarnadeln.
»Also, dann gehe ich mal …«
Als niemand ihr widersprach, schüttelte Anna Caspars Hand und schlurfte durch den dunklen Flur zur Haustür hinaus.
Caspar und Friederike hatten sich kaum an den Tisch gesetzt, als Josefine auch schon mit einem Krug kühlen Rheinwein aus dem Keller kam.
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als ich Caspar erkannt habe!«, erzählte Friederike.
Sie hielt es für besser zu verschweigen, dass sie diese Erleichterung
erst viel später empfunden hatte, denn sie hatte Caspars Reaktion keineswegs abzuschätzen gewusst.
»Auf dich, Friederike!« Caspar hob sein Glas.
»Auf unsere Zusammenarbeit!«
Täuschte sie sich, oder war auch Caspars Lächeln ein wenig verlegen? Ihm war zuzutrauen, dass er selbst »Verlegenheit« spielen konnte, überlegte sie. Aber warum sollte er das tun?
»Das muss gefeiert werden!«, zerstörte Josefine ihre seltsame Befangenheit. Schwungvoll öffnete sie die Klappe zum Hasenstall, griff geschickt nach einem Tier und schlug die Tür wieder zu. Mit dem strampelnden, um sich beißenden Hasen lief sie in die Küche. Kurz darauf war ein dumpfer Schlag zu hören: Sie musste seinen Kopf gegen den Eisenherd geknallt haben. Mit dem schlaff herunterhängenden Tier in der Hand, trat sie in die Hoftür:
»Kümmerst du dich bitte ums Feuer, Friedrich?«
»Ja, ja, mach ich!« An Caspar gewandt, fügte Friederike hinzu: »Das hat wohl noch einen Moment Zeit. Erst will ich wissen, wie die Dinge in Meißen so stehen. Ich weiß ja gar nicht, wie es meinen Eltern geht … Und Charlotte, was macht Charlotte?«
»Ach, das weißt du gar nicht?« Caspar wirkte ein wenig betreten.
»Was weiß ich gar nicht?« Friederike erschrak. Hoffentlich war nichts mit ihren Eltern! Vielleicht waren sie krank oder … Nein, weiter wollte sie
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