Die Porzellanmalerin
während seiner Reise wohin auch immer aufgegeben! Ein Gefühl der Dankbarkeit erfüllte sie. Verlassen kann man sich auf ihn, dachte sie zufrieden, immerhin!
»Und Charlotte?«, erkundigte sie sich bei Caspar. »Was hat sie gesagt?«
»Charlotte, nun, Charlotte … Dein Bruder war überhaupt nicht begeistert, wie du dir denken kannst. Du würdest Schande über ihn und die ganze Familie bringen, hat er herumgewütet. Das weiß ich von Charlotte; offiziell hat er das natürlich ganz anders dargestellt. Aber Charlotte selbst war auch ziemlich entsetzt. Vor allem hatte sie wohl Angst um ihre Heiratschancen. Wer eine solche Vagabundin zur Freundin hat, wie du eine bist, wird natürlich auch erst mal schief angesehen.«
»Lasst uns jetzt essen! Ihr könnt später noch weiterschwatzen. Der Hase wird sonst kalt!«
Beherzt stach Josefine mit dem Fleischermesser in den knusprigen Braten und legte jedem eine große Portion auf den Teller. Dazu gab es Kartoffeln und grüne Bohnen, die sie selbst gezogen hatte.
Friederike gingen tausend Gedanken durch den Kopf. Sie freute sich über die Reaktion ihres Vaters, während sie die ihrer Mutter und von Georg mehr oder weniger so vorhergesehen
hatte. Aber dass Charlotte sich abfällig über sie geäußert hatte, konnte sie nicht recht glauben - trotz allem, was zwischen ihnen vorgefallen war. Sophie, die kleine Cousine, hatte sie immerhin nicht verpetzt. Hoffentlich hatte sie es nicht allzu schwer genommen, dass Georg sich mit Charlotte verlobt hatte!
Es war dunkel geworden. Aus der Ferne erklang ein dumpfes Donnergrollen. Hin uns wieder erhellte ein zuckender Blitz den Himmel. Das Gewitter schien nicht mehr allzu weit entfernt zu sein.
»Georg hat es übrigens trotz allem geschafft, Höroldts wichtigster Mann zu werden.«
In Caspars Stimme schwang unverhohlener Neid mit.
»Er kann doch gar nicht malen, denke ich!«
Josefine blickte verwundert von einem zum anderen.
»Georg hat andere Fähigkeiten. Und natürlich kann er malen, wenn er auch kein großer Künstler ist. Ganz ausgezeichnet übrigens, der Hase, liebe Frau Heller!«
Caspar legte die Gabel zurück auf den Teller und strich seiner Gastgeberin leicht über den Handrücken. Trotz des Dämmerlichts konnte Friederike erkennen, dass sich auf Josefines Unterarmen eine Gänsehaut gebildet hatte.
Caspar hatte sich noch einmal nachgenommen. Mit vollem Mund fügte er hinzu:
»Benckgraff scheint große Stücke auf dich zu halten, Friederike. Auch in seinen Augen bist du eine hervorragende Malerin.«
»Maler!«, korrigierte sie ihn mechanisch.
»Für mich bist und bleibst du eine Malerin.« Caspar lachte.
»Welche Fähigkeiten meintest du, als du eben von Georg sprachst?«
Sie konnte sich nur an eine herausragende Fähigkeit ihres Bruders erinnern: nämlich die, andere Leute für sich einzunehmen. Aber das war zu wenig für eine echte Karriere. Wenigstens ein paar andere Voraussetzungen musste man darüber hinaus noch erfüllen. Zumindest hatte sie das immer geglaubt.
»Er und Höroldt sind ein Herz und eine Seele. Höroldt braucht im Moment alle Unterstützung, die er kriegen kann. Wegen Kaendler. Gegenüber dem Modellmeister sind die Maler in einer schlechten Position. Seine Modelle sind das, was sich in Meißen wirklich verkauft. Dem Hof ist es doch egal, wer die Sachen bemalt, Hauptsache, es ist ein Kaendler.«
Josefine stand auf, um den Tisch abzuräumen. Im Vorbeigehen stupste sie mit der Spitze ihrer Holzpantine gegen die abgesägten Baumstämme an der Feuerstelle, sodass die Glut neue Nahrung bekam.
»Deshalb konnte mich auch nichts mehr in Meißen halten. Überall hieß es nur Kaendler, Kaendler, Kaendler! Neben ihm hast du keine Chance, deine eigenen Ideen zu verwirklichen.«
»Aber Höroldt ist kein Idiot! Er muss doch merken, dass Georg nur Hunde und Katzen malen kann.«
Dass jemand wie ihr Bruder in der bedeutendsten aller Porzellanmanufakturen zum Obermaler aufsteigen konnte, wollte Friederike einfach nicht in den Kopf.
»Georg lässt nach wie vor andere Leute für sich arbeiten. Höroldt merkt das gar nicht. Er kriegt nur mit, dass die Arbeit erledigt wird, aber nicht, von wem. Er hält große Stücke auf Georg.«
Die Glocken der Justinuskirche fingen an zu läuten. Erschrocken zog Caspar seine Uhr aus der Westentasche.
»Schon nach zehn!«, rief er ein wenig lallend. »Ich trenne mich nur ungern von euch, meine Damen, vor allem weil ich noch gar nicht gehört habe, wie es dir hier in der
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