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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Zwischenzeit ergangen ist, liebe Friederike. Aber ich sollte wohl langsam zum ›Schwanen‹ aufbrechen, nachher lässt man mich dort nicht mehr rein. In Höchst geht man früh zu Bett, habe ich mir sagen lassen.«
    »Ich begleite dich.«
    Friederike stand auf.
    »Aber nein! Das kann ich nicht zulassen. Dann musst du ja allein zurücklaufen! Erklär mir einfach den Weg.«

    »Ach, mach kein Theater, Caspar. Ich laufe hier ständig allein im Dunklen herum.«
    Sie hatte ihren Degen bereits umgeschnallt und die Laterne vom Haken genommen.
    Wieder zog Caspar die Augenbrauen hoch. Diesmal lag Achtung in seinem Blick. Mit einem vollendeten Handkuss bedankte er sich bei Josefine für den Hasenbraten.
    Als sie auf der Straße standen, sagte er:
    »Dass eine junge Dame einen Herrn nach Hause bringt, habe ich aber auch noch nicht erlebt!«
    »Pssst!« Friederike legte ihm die Hand auf den Mund. »Bist du wahnsinnig?«, zischte sie. »Es braucht uns nur einer zu hören, und schon ist alles aus. Höchst ist verdammt klein, hier kennt jeder jeden!«
    Schweigend liefen sie durch die dunklen Gassen. Ein böiger Wind kündigte das bevorstehende Gewitter an. Sie würden sich beeilen müssen, um nicht vom Regen überrascht zu werden. Aber die Abkühlung würde gut tun, nicht nur den Menschen, sondern auch der Natur. Seit Wochen hatte es nicht geregnet.
    Im »Schwanen« brannte noch Licht. Als Friederike sich von Caspar verabschieden und ihm eine gute Nacht wünschen wollte, beugte er sich zu ihr hinunter. Aber nicht, weil er ihr einen Kuss auf die Wange geben wollte, wie sie erwartet hätte, sondern um ihr seine Zunge in den Mund zu schieben.
    Rotwein, ich schmecke Rotwein, er hat zu viel getrunken!, war ihr erster Gedanke, ganz eindeutig. Mit der einen Hand hatte er sie an sich gezogen und die andere auf ihren Po gelegt.
    Heftig machte sie sich von ihm los. Ihr fehlten die Worte, so überrumpelt kam sie sich vor. Am liebsten hätte sie ihm in sein grinsendes Gesicht geschlagen.
    »Ach, komm, Friederike, ein Kuss, in alter Freundschaft!«
    Treuherzig blickte er sie an, die Hände in einer bittenden Geste vor der Brust gefaltet. Gegen ihren Willen musste sie lachen, so zerknirscht sah er plötzlich aus.

    »Geh jetzt schlafen, Caspar! Ich muss mich beeilen, sonst komme ich in den Regen.«
    Grob schlug sie seine Hände weg, als er erneut Anstalten machte, sie an sich zu drücken. Das ging jetzt aber wirklich zu weit! Nicht nur Caspars Verhalten machte ihr Sorgen: Konnte doch jeden Moment auch der Nachtwächter vorbeikommen und sehen, wie der neue Modellmeister der Porzellanmanufaktur den Maler küsste, der bei der Witwe Heller wohnte. Was würde Josefine sich dann erst von den Leuten anhören müssen!

    Giovanni war da! Er lag neben ihr, das Gesicht der anderen Seite zugewandt, als schliefe er. Sie wollte die Hand nach ihm ausstrecken, ihn berühren, aufwecken, mit ihm sprechen, zärtlich sein - und griff ins Leere. Langsam verschwamm das Bild vor ihren Augen, und ein anderes legte sich darüber. Nun befand sich Giovanni nicht mehr bei ihr im Bett, sondern weit fort, in einem dunklen, feuchten Keller, in seltsame Lumpen gehüllt. Um den linken Fußknöchel trug er eine schwere Kette, an der eine Eisenkugel befestigt war. Statt zwischen seidenen Laken lag er auf moderigem Stroh. Sein Gesicht war bleich und abgezehrt, sein Körper ausgemergelt. »Federica, hilf mir!«, stöhnte er mit kaum hörbarer Stimme. Sie wollte zu ihm hinstürzen, ihm Trost zusprechen, seinen Kopf an ihre Brust betten, ihn retten und aus diesem schrecklichen Kerker befreien.
    Doch in dem Moment erwachte sie.

    Der nächtliche Platzregen hatte nicht wirklich Abkühlung gebracht. Friederike hatte sogar das Gefühl, dass es noch schwüler geworden sei. Wie festgeklebt saß sie an ihrem Malertisch. Es war einfach zu heiß, um auch nur eine unnötige Bewegung zu
machen. Außerdem war sie völlig unausgeschlafen. Der nächtliche Traum hatte sie in große Verwirrung gestürzt. Giovanni im Gefängnis - was hatte das zu bedeuten? Wieso träumte sie so etwas? Dass sie ihn im Schlaf herbeisehnte, erstaunte sie nicht weiter, es war nicht das erste Mal. Aber dieser plötzliche Szenenwechsel, vom Liebeslager ins Gefängnis, Giovanni abgemagert und am Ende seiner Kräfte, die schreckliche Kugel an seinem Knöchel - dieses Bild verfolgte sie den ganzen Tag.
    Sie glaubte eigentlich nicht an böse Vorahnungen und Hellseherei, aber jetzt wurde ihr doch beklommen ums Herz. Was, wenn

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