Die Porzellanmalerin
nicht mehr, dieser kinnlose Hamburger Kaufmann mit der miesepetrigen Schwester?«
»Der? Nicht zu fassen!« Die grünen Augen blitzten belustigt auf. »Aber die Schwester war doch gar nicht so falsch. Nicht gerade hübsch, aber irgendwie temperamentvoll, wie sie an dem Abend Karten gespielt hat.«
Sogar an ihr konnte er noch etwas finden! Unglaublich, dieser Mann.
»Und dann gab es da noch Probleme mit Georg …«
Friederike wollte das Thema Georg nicht weiter vertiefen, zumal sie nicht wusste, ob Caspar und ihr Bruder noch in Kontakt standen.
»Das waren die Gründe für deine Flucht?«
Bildete sie sich das ein, oder klang Caspar enttäuscht? Hatte er wirklich erwartet, dass sie den lächerlichen kleinen Liebeskummer, den sie seinetwegen erlitten hatte, mit als Grund aufzählte?
Caspar stellte sein Glas ab, um sich ausgiebig zu räkeln.
»Lass uns eine Runde schwimmen gehen! Das mache ich hier jeden Abend. Du glaubst gar nicht, wie erfrischend das ist! Komm, du musst keine Angst haben, hier sieht uns niemand.«
Bevor sie reagieren konnte, hatte er schon sein Hemd abgestreift und seine Hose aufgeknöpft. Friederike war wie vor den Kopf geschlagen. Stumm schaute sie zu, wie er sich vollends
entkleidete. Sein braun gebrannter Körper erinnerte sie an eine antike Götterstatue. Er lachte sie auffordernd an und kletterte die schmale Strickleiter hinunter, um kopfüber ins Wasser zu springen. Als er wieder auftauchte, schüttelte er sich wie ein nasser Hund.
»Los, Friederike, mach schon! Das ist herrlich kühl hier. Ich drehe mich um, dann kannst du dich in Ruhe ausziehen. Keine Sorge, ich gucke schon nicht!«
Mit ausholenden Zügen schwamm er auf die ins Wasser herabhängenden Weidenäste am gegenüberliegenden Niddaufer zu.
Warum eigentlich nicht?, dachte sie. Das Wasser wirkte in der Tat kühl und einladend. Caspar war hinter dem Vorhang aus Weidenästen verschwunden. Sie schaute sich um, konnte aber nirgendwo eine Menschenseele erblicken. Sie wartete, bis eine Schwanenfamilie vorbeigeschwommen war, dann zog sie sich bis aufs Hemd aus und kletterte die Strickleiter hinunter.
Das Wasser war wunderbar erfrischend. Schnell schwamm sie zu der Stelle, wo Caspar verschwunden war. Als sie die Weidenäste auseinanderschob, befand sie sich in einer Art grünen Grotte. Wo war Caspar?
Plötzlich spürte sie, wie unter Wasser etwas gegen ihre Beine drängte, bis diese sich öffneten: Caspar, der von hinten an sie herangetaucht und zwischen ihren Beinen hindurchgeschwommen war. Prustend drehte er sich zu ihr um. Sein Kopf war ganz nah. Sie merkte, dass der Fluss gar nicht so tief war, wie sie angenommen hatte. Sie konnte problemlos stehen. Ohne Vorwarnung schlang Caspar seine Arme um sie. Sein harter Körper war gegen ihren gepresst, seine Zunge versuchte, sich einen Weg zwischen ihre Lippen zu bahnen. Im ersten Moment war sie so überrascht und so damit beschäftigt, auf den glitschigen Kieselsteinen ihr Gleichgewicht zu halten, dass sie den Mund leicht öffnete. Ermutigt küsste Caspar sie umso leidenschaftlicher.
»Caspar!«
Sie versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien. Vor einem Jahr noch hatte sie heftig für diesen Mann geschwärmt, auch wenn sie damals schon gewusst hatte, dass er ein Filou war. Der Kuss im Irrgarten war der erste sexuelle Höhepunkt ihres behüteten Lebens gewesen - bis sie Giovanni kennengelernt hatte. Nun verschlang der Held ihrer Jungmädchenträume sie hier beinah, drängte seinen muskulösen Körper gegen ihren, quetschte sein Knie zwischen ihre Oberschenkel, um sie auseinanderzuschieben - und sie verspürte keinerlei Verlangen nach ihm. Sie war nicht wie Josefine oder Anna, die sich schon aus Prinzip einen solch strahlenden Adonis nie durch die Lappen hätten gehen lassen. Ihre Rede gegenüber Giovanni von der Liebe und der Fleischlichkeit war vielleicht ein wenig naiv gewesen, aber nur ein wenig. Sie stand dazu. Sie wollte Caspar nicht mehr. Und sie würde sich nicht einfach dem erstbesten Mann hingeben, der ihr über den Weg lief, nur weil der Richtige auf sich warten ließ.
Caspars Atem war heftiger geworden. Seine Lippen glitten über ihren Hals, seine Hand suchte ihre Brust.
Friederike versuchte, ihn abzuschütteln, seine Umarmung ekelte sie nun an. Ja, sie hatte ihn halbherzig zurückgeküsst. Aber was hätte sie denn anderes tun sollen in dieser Situation? Nun war es genug! Sie lehnte den Kopf so weit wie möglich nach hinten und spannte den Oberkörper an, um den
Weitere Kostenlose Bücher