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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Kollegen verwandt, einem älteren Maler, der wohl häufiger in Versailles zu tun hat. Ich glaube, sein Name ist Maurice. Oder Mathieu … Er hat ihm jedenfalls davon erzählt, dass dir die seltene Ehre zuteil wurde, vom König auf einen Ball geladen zu werden.«
    »Aber du bist ein Gefangener - wie kommt es, dass du heute hier sein kannst?«
    Sie hatte ihre Fassung noch immer nicht wiedererlangt. Ihr Atem ging stoßweise, ihr Herz klopfte wild.
    Giovanni lachte auf. Die blau-grünen Fransen der Vogelmaske hingen wippend in seine Stirn.
    »Sie haben mich entlassen. Vorgestern. Aber mit der Auflage, das Land sofort zu verlassen und nie wieder zu betreten. Sonst …« Sein Griff um ihre Hand wurde stärker. »Verstehst du, was das bedeutet, Federica?«
    Wieder hatte sie das Gefühl, von seinem dunklen Blick durchbohrt zu werden. Ja, sie verstand, was das bedeutete: Giovanni würde fliehen müssen, sofort. Anderenfalls würde er Gefahr laufen, erneut inhaftiert zu werden. Oder Schlimmeres. Wieder würde es also keine Möglichkeit für sie beide geben, Zeit miteinander zu verbringen. Die Zeit, die sie gebraucht hätte, um sich über ihr Verhältnis klar zu werden. Unwillkürlich hatte sie
seine Hand weiter nach oben zu ihrem Mund geführt. Tastend fuhren ihre Lippen über seine Finger, mit weit geöffneten Nasenflügeln sog sie den Geruch ein, der von ihnen ausging.
    »Federica …«
    Giovannis Stimme erstarb. Langsam beugte er sich über sie. Doch bevor er dazu kam, seine Lippen auf die ihren zu legen, zerriss gellendes Gelächter die Stille. Es schien aus ihrer unmittelbaren Nähe zu kommen.
    Woher kannte sie bloß dieses aufreizende Lachen, das sie den ganzen Abend wieder und wieder gehört hatte? Ein Blick auf Giovannis Miene, die sich schlagartig verdunkelt hatte, genügte ihr, um zu wissen, um wessen Organ es sich handelte: Die Contessa, natürlich! Sie war die Paviandame, die ihr schon mehrfach aufgefallen war - warum war sie bloß nicht eher darauf gekommen? Ein so gewagtes Kostüm, ein so unverfrorenes Verhalten, das erlaubte sich nur eine einzige Frau auf der Welt! Und ihr Begleiter, auf dessen beim Menuett enthülltes Gesicht sie im Vorbeischweben einen kurzen Blick erhascht hatte, das sie wiedererkannt hatte, ohne es sofort einsortieren zu können: Dieser Mann war niemand anders als Emilias Verehrer aus Köstritz. Jener vornehm gekleidete ältere Mann mit den gut geschnittenen Zügen, jener Betrunkene, der sie in ihrer Nacktheit, in dieser schrecklichen kompromittierenden Situation in der Dachkammer des »Kranich« so lüstern angestiert hatte.
    Mit einem Ruck hatte sich Giovanni die Vogelmaske wieder übers Gesicht gezogen. Er war aufgesprungen und streckte die Hände nach ihr aus, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Stumm reichte er ihr Maske und Schleier.
    »Verehrteste, ich sehe, es geht Ihnen wieder besser«, bemerkte er schließlich kühl, als sie Auge in Auge voreinander standen.
    »Sie sollten sich allerdings ein wenig zurechtmachen, bevor Sie wieder in den Ballsaal zurückkehren.« Er stockte kaum wahrnehmbar. »Ich nehme an, der König erwartet Sie dort.«
    »Was, der König?«

    Entgeistert starrte Friederike den Italiener an. Warum war er plötzlich so förmlich? Wo war der zärtliche, leidenschaftliche Giovanni geblieben, den sie eben erst wiederentdeckt zu haben glaubte? Und was sollte diese Bemerkung mit dem König bedeuten?
    »Wer, glauben Sie, hat Sie da wohl vorhin so wild durch die Lüfte geschleudert, dass Sie die Besinnung verloren haben?«
    Langsam zog er seine Handschuhe aus den Taschen seines Rockes und streifte sie über.
    »Diese Eibe, das war niemand anders als Seine Majestät, meine Liebe. Die Geschichte wiederholt sich, wie es scheint … Und nun gehen Sie«, fügte er mit einem rätselhaften Lächeln hinzu, »Sie werden erwartet.«
     
    D ie Musik hatte aufgehört zu spielen, als sie, noch immer ein wenig wackelig, aus den Waschräumen in den Ballsaal zurückkehrte. Auf der Tanzfläche waren während ihrer Abwesenheit mehrere große Tafeln aufgebaut und über und über mit kalten und warmen Köstlichkeiten beladen worden. Um sie herum verteilt standen lauter kleine Tischchen, an denen die ersten Gäste bereits Platz genommen und zu essen begonnen hatten. Friederike stellte sich in der Schlange zum Büfett an. Sie hatte keinen Hunger, das unerwartete Wiedersehen mit Giovanni hatte ihr jeglichen Appetit genommen, aber sie wollte Zeit gewinnen, ihre Erregung in den Griff

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