Die Porzellanmalerin
hoffe, dass ich Sie nicht allzu sehr befremde oder in Erstaunen versetze.«
»Haben Sie keine Scheu, Mademoiselle. Ich bin sicher, dass Sie mich erfreuen werden.«
»Sicher bin ich nicht, aber ich hoffe es.«
Den Grund ihres Kommens zu nennen fiel ihr weniger leicht, als sie gedacht hätte. Sollte sie einen Rückzieher machen, etwas
erfinden, um das es gar nicht ging? Doch so schnell wollte ihr keine glaubhafte Geschichte einfallen. Außerdem wollte sie ja auch etwas bei Helbig erreichen, es ging schließlich um ihre Zukunft, ihre Zukunft als Porzellanmalerin. Nein, sie würde einfach drauflos reden.
»Mein Bruder Georg hat mir, wie Ihnen vielleicht zu Ohren gekommen ist, das Malen beigebracht. Schon als Kind habe ich eine große Leidenschaft für diese Kunst empfunden, mehr als andere Mädchen in meinem Alter. In den vergangenen Jahren habe ich sehr viel geübt, sowohl auf Papier als auch auf Porzellan: Inzwischen kann ich guten Gewissens behaupten, besser malen zu können als Georg selbst. Natürlich ist mir klar, dass sich meine Kenntnisse noch vertiefen lassen dürften, aber ich denke doch, dass ich bereits jetzt in der Lage bin, bei Ihnen als Porzellanmalerin anzufangen. Zusätzlichen Unterricht würde ich natürlich jederzeit gern nehmen. Was meinen Sie, Herr Direktor, wäre es möglich, dass Sie bei Obermaler Höroldt ein gutes Wort für mich einlegten?«
Friederike war nicht entgangen, dass sich Helbigs Miene bei ihren Worten mehr und mehr verdüstert hatte. Je finsterer sein Ausdruck geworden war, umso schneller hatte sie weitergeredet. Der Direktor der Manufaktur schien alles andere als erfreut über ihren Vorschlag zu sein, versuchte aber offenbar, die Contenance zu wahren. Sie hatte ihn in eine unangenehme Situation gebracht, so viel war klar.
»Ist das Ihr Ernst, Fräulein Simons? Oder belieben Sie zu scherzen?«
Seine Stimme klang jetzt streng und gar nicht mehr gefällig.
»Nein, nein, das ist mein absoluter Ernst, Herr Direktor!«
»Was für ein charmantes Anliegen - aber doch sehr ungewöhnlich für eine junge Dame. Was sagen Ihre Eltern denn dazu, wenn ich fragen darf?«
Mit einer ungeduldigen Handbewegung schickte Helbig den Diener aus dem Zimmer, der zwei zierliche Mokkatassen in
»Ordinair Blau« sowie ein dazugehöriges Konfekttellerchen mit Pralinés gebracht hatte.
»Noch gar nichts«, erwiderte Friederike wahrheitsgemäß. »Ich wollte zuerst mit Ihnen reden.«
»Nun, selbst wenn Ihre Eltern nichts dagegen hätten, was ich mir aber gar nicht vorstellen kann: Die Malerei ist, wie Sie selbst sagen, eine Kunst - sie ist kein Beruf für Frauen.« Er blickte sie eindringlich an und legte ihr die Hand auf den Arm. »Fräulein Simons, das schöne Geschlecht ist dazu da, an der Seite eines Mannes durchs Leben zu gehen. Als Maler muss man seinen eigenen Weg beschreiten. Alle unsere Künstler sind kreativ. Haben Sie schon einmal von einer Malerin gehört? Von einer Bildhauerin? Einer Komponistin? Einer Schriftstellerin? Ihr entzückendes Geschlecht wird gemalt - es malt nicht selbst. Seien Sie froh, dass Sie nicht arbeiten müssen, Mademoiselle! Niemand hat etwas dagegen, wenn Sie zu Hause ein bisschen Malerei betreiben. Aber doch nicht als Beruf! Wir Männer wollen die Frauen beschützen. Wir wollen nicht zusehen müssen, wie sie hart arbeiten. Auch wenn es nur ein Pinsel ist, den man beim Malen halten muss: Tut man den lieben langen Tag nichts anderes, kann das sehr anstrengend sein. Auf jeden Fall viel zu anstrengend für ein so zartes, junges Geschöpf, wie Sie es sind.«
Er schenkte ihr ein väterliches Lächeln, das jedoch nur aufgesetzt war, wie Friederike gleich erkannte.
»Ich würde meinen Töchtern auf keinen Fall erlauben, hier in der Manufaktur tätig zu werden. Ihr Herr Vater wird das nicht anders sehen, wiewohl er in einigen Dingen ja eine sehr fortschrittliche Meinung vertritt. Sie werden bald heiraten und Kinder bekommen, Fräulein Simons. Unsere Lehrzeit beträgt sechs Jahre. Wie wollen Sie das anstellen? Wollen Sie sich den ganzen Tag in einer Fabrique aufhalten, während Ihre Kinder zu Hause nach ihrer Mutter schreien?«
Mit einer so vehementen Ablehnung hatte sie nicht gerechnet. Kommerzienrat Helbig war ihr immer als ein sehr freigeistiger,
weltoffener Mann erschienen. Jetzt machte er einen geradezu angewiderten Eindruck auf sie.
»Wo sollen denn die Malerinnen, Schriftstellerinnen, Komponistinnen und Bildhauerinnen herkommen, wenn man uns Frauen den Unterricht
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