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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Hugenotten habe ich überhaupt nichts«, fügte sie hinzu.
    Der kleine Junge zerrte an ihrer Hand. Er schien unbedingt an Deck zu wollen, um seiner neuen Freundin etwas zu zeigen. Seine Mutter warf ihm einen strengen Blick zu, aber Marie beruhigte die Frau und stand mit dem Jungen auf.
    Auch Friederike zog ihren Mantel wieder an. Ein wenig frische Luft würde ihr gut tun. Als sie die Tür zur Treppe hin öffnete, bereute sie jedoch gleich, ihren warmen Platz verlassen zu haben. Kalte Regentropfen peitschten ihr ins Gesicht.
    Der Junge wollte nach den Pferden schauen, die vor das Boot gespannt waren. Sie standen still am Ufer und warteten, dass die Fähre vor ihnen den Main überquerte.
    Marie hielt ihr Gesicht in den feuchten Wind.
    »Was bin ich froh, dass ich diese Leute los bin!«, rief sie vergnügt. »Sie können sich gar nicht vorstellen, Monsieur Rütgers, wie es ist, auf Gedeih und Verderb solchen Abenteurern ausgeliefert zu sein. Die Contessa macht jedem dahergelaufenen Mann schöne Augen, und Monsieur … Et oui, Monsieur …«
    Friederike setzte ein interessiertes Gesicht auf. Zugleich bemühte sie sich, nicht allzu neugierig zu wirken.
    »Und Monsieur? Was ist mit ihm?«
    » Donc … Also bei ihm war ich mir nie sicher, ob er wirklich der ist, für den er sich ausgibt - jamais, vous comprenez? «
    »Aber wer ist er dann?«, hakte Friederike betont unbefangen
nach. Wer dieser Giovanni Ludovico Bianconi wirklich war, das fragte sie sich auch.
    » Ça, je ne sais pas . Ich habe wirklich keine Ahnung, wer er sein könnte, aber eins steht fest: So viele Rätsel wie dieser Mann hat mir selten jemand aufgegeben. Allein sein Verhältnis zur Contessa! Angeblich sind die beiden ja verlobt. Aber das kann ich mir nur schwerlich vorstellen, bei dem Männerverschleiß, den Emilia allein in den letzten Wochen hatte. Er selbst ist natürlich auch nicht von schlechten Eltern … Mais , einen ihrer letzten Streite vor meiner Abreise habe ich zufällig mitbekommen. Sie hat ihn angebrüllt und irgendwas von einer Hure, una puttana - in Frankreich sagen wir putaine, vous comprenez? - geschrien. Ich glaube, sie meinte damit eine Dame aus Köstritz - Sie erinnern sich doch sicher an diese Stadt mit dem schwarzen Bier, n’est-ce pas? Oder waren Sie da schon nicht mehr bei uns? Sie waren ja so plötzlich verschwunden … En tous cas , man konnte sehen, am liebsten hätte Bianconi sie geschlagen.«
    Die Zofe schauderte in der Erinnerung.
    »Aber er hat die Zähne zusammengebissen und sie nur fest am Handgelenkt gepackt: ›Das war keine Hure, du dummes Weib‹, hat er ganz kühl gesagt, ›das war die Frau, auf die ich mein Leben lang gewartet habe - und du hast sie vertrieben!‹ Ja, das waren in etwa seine Worte gewesen, plus ou moins. C’est drôle, n’est-ce pas? «, sagte sie und drehte sich zu Friederike um.
    Diese war froh, dass in dem Moment am linken Flussufer eine Mühle auftauchte. Direkt vor ihnen lag majestätisch die Mainbrücke mit ihren dreizehn geschwungenen Sandsteinbögen und dem goldenen Hahn auf dem Kreuzbogen.
    »Kennen Sie die Geschichte vom Frankfurter Brickegickel?«, lenkte sie die Zofe schnell vom Thema ab. Dankbar um die willkommene Gelegenheit, holte sie aus:
    »Sie sehen doch das Kruzifix da oben am Geländer, mit dem goldenen Hahn als krönendem Abschluss, nicht wahr? Der markiert die Stelle, an der früher die Hinrichtungen stattgefunden
haben. Die Verurteilten wurden vom Brückenturm, in dem sie inhaftiert waren, auf die Mitte der Brücke geführt, wo man ihnen Arme und Beine zusammenschnürte und sie über ein Brett auf dem Geländer runter in die Fluten stürzte.«
    Marie hüllte sich fester in ihren Mantel. Ihre spitze Nase war ganz weiß geworden.
    » C’est affreux ça «, murmelte sie schwach.
    »Sie kennen sich aber gut mit unserer Geschichte aus!«, bemerkte einer der beiden Kaufleute, der neben ihnen an der Reling stand und ihre Unterhaltung mitbekommen hatte.
    »Mein Vater hat mir davon erzählt«, entgegnete Friederike stolz.
    »Dann wissen Sie sicher auch, dass das bereits unser vierter Brickegickel ist. Die anderen sind uns irgendwie abhanden gekommen, im Krieg oder wegen des Hochwassers. Diesen Gickel da haben wir erst seit einem Jahr.«
    Ein lang gezogenes, helles »Hallooo!!« ließ ihre Erwiderung untergehen. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie konnte den kleinen Jungen gut verstehen, der unbedingt gegen die hohen Gewölbewände hatte anrufen müssen, als sie

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