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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Brunnen, sie schöpft Wasser, dreht sich zur Seite - und übergibt sich vor der ganzen Schlange Weiber, die wie wir beide zum Wasserholen anstehen. ›Ja, Anna‹, sag ich, ›hast wohl gestern zu viel Martinsgans gegessen! ‹ In Wirklichkeit hab ich mit einem Blick gesehen, was los ist, aber ich wollt ja die anderen Frauen in die Irre führen, um jedes dumme Gerede im Keim zu ersticken. Und kaum hatte ich die Anna nach Hause begleitet und ins Bett gesteckt, hab ich mir hier gleich den Ringler vorgeknöpft. Aber wie diese Wiener so sind: Gewunden hat der sich, wie ein Aal!«
    Josefine wirkte so empört, dass Friederike lachen musste.
    »Was hast du nur gegen die Wiener?«, fragte sie amüsiert. »Die sind doch so charmant …«
    Erst in dem Moment fiel ihr ein, dass auch die Contessa eine halbe Wienerin war. Emilia hatte ihr doch von ihrer Mutter erzählt, Giovannis Jugendliebe, die mit nicht einmal dreißig Jahren an gebrochenem Herzen gestorben war. Diese Phase hatte sie, Friederike, immerhin hinter sich! Sie schluckte. Was hatte sie nicht alles versucht, sich Giovanni aus dem Kopf zu schlagen! Ja, eine richtige Technik hatte sie entwickelt, wie sie ihre Gedanken sofort in eine andere Richtung lenken konnte, sobald sich das Bild des Italieners dazwischendrängte. Trotzdem erschien er ihr noch immer regelmäßig im Traum. Hatte er vor urlanger Zeit nicht behauptet, er würde nach ihr suchen?, fragte sie sich unwillkürlich. Er wusste doch, wo sie war - warum hatte er ihr dann nicht wenigstens geschrieben?
    »Friedrich, hörst du mir überhaupt zu?«, riss Josefine sie aus ihren Gedanken. Erst als Friederike schuldbewusst nickte, fuhr sie in ihrem Bericht fort.
    »Am Anfang hat der Ringler noch versucht, alles abzustreiten, dann hat er der Anna ein paar andere Verehrer angedichtet, und am Schluss hat er endlich zugegeben, dass nur er der Kindsvater sein könnte. Und gejammert hat er: Wenn der Benckgraff das erfahren würde, der sei doch so streng, sogar mit ihm, der er ja recht eigentlich sein Kompagnon wär, aber eben wohl doch erst wirklich würde, wenn er seine ältere Tochter ehelichte, dieses hagere Weibsstück, nie und nimmer würde er das übers Herz bringen, erschießen würde er sich eher, als sich dieser ledernen Ziege freiwillig auszuliefern, man brauche sich ja nur die Mutter anzusehen, kein Wunder, dass der Benckgraff immer so mürrisch sei, bei dieser Frau, nein, so enden wolle er auf keinen Fall … ›Ja, und was ist mit der Anna, was hat die damit zu tun?‹, habe ich ihn ganz streng gefragt. ›Ach, die Anna‹, hat er gestöhnt und ist nach oben in sein Zimmer gegangen - dein Zimmer, Friedrich, in deiner Kammer hat er geschlafen, gute anderthalb Jahre lang - ja, und am nächsten Morgen war er weg.«
    Mit einer dramatischen Geste griff sie nach dem scharfen
Messer vor sich auf dem Tisch und säbelte eine dicke Scheibe Geselchtes ab.
    Friederike nickte langsam, sie war gedanklich wieder ganz im Hier und Jetzt angelangt.
    »Benckgraff hat mal so eine Andeutung gemacht, dass er eine große menschliche Enttäuschung erlebt hätte … Und seine Tochter, die habe ich neulich gesehen: ein schreckliches Weib, das kann ich nur bestätigen! Kein Wunder, dass er die nicht verheiratet kriegt. Schon komisch, weil die Jüngere, die Frau vom Zeschinger, doch ganz reizend ist. Aber was ist denn aus Anna geworden?«
    »Ist im sechsten Monat und weiß nicht mehr ein noch aus«, lautete die düster vorgetragene Antwort. »Jeden Tag, den ich sie lebend antreff, mach ich’nen Freudensprung, so sehr fürcht ich, dass sie ins Wasser gehen könnt.«
    Josefine schluckte ihren Bissen herunter. Hoffnung trat in ihren Blick.
    »Sag mal, Friedrich, könntest du nicht …?«
    Friederike hätte sich auf die Zunge beißen können, dass sie sich so interessiert nach dem Verbleib der ledigen Mutter erkundigt hatte. Ein schreckliches Los hatte dieses arme Mädchen gezogen, kein Zweifel, und dieser Ringler schien ganz gewiss ein feiger Schurke gewesen zu sein, aber dass sie sich jetzt auch noch eine schwangere Ehefrau aufhalste, die sie obendrein nie gesehen hatte, das führte wirklich zu weit.
    »Nichts für ungut, Josefine, aber das geht wirklich nicht«, erwiderte sie ungewöhnlich barsch.
    »Was ist denn mit deinem Bruder?«, fügte sie nach einem unbehaglichen Schweigen hinzu. »Mag der nicht einspringen?«
    Sie hatte den jungen Apothekergehilfen, den sie kurz vor Weihnachten in Sachsenhausen kennengelernt hatte, zu Neujahr

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