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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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Josefines Verhalten seit jenem Morgen verändert hatte, als ihre Periode so heftig eingesetzt hatte, dass sie ihre wahre Identität nicht länger hatte verbergen können. Natürlich hatte Josefine sich immer wieder einmal nach ihren Eltern, Georg und den Freunden erkundigt oder belanglose Kleinigkeiten aus ihrem Alltag als Meißener Bürgerstochter wissen wollen. Vielleicht gab sie sich auch deshalb so viel Mühe, ihre Untermieterin zu umsorgen, weil sie irgendwann einmal von ihrem Dienstmädchen Lilli erzählt hatte, das längst schon ein Feuer entfacht hatte, wenn sie morgens geweckt wurde, was im Übrigen nicht ein einziges Mal vor Sonnenaufgang geschehen war.
    Allmorgendlich bemitleidete Friederike sich zutiefst, weil sie in aller Herrgottsfrühe aufstehen musste. Leider ließ der erhoffte Gewöhnungseffekt, dass sie eines Morgens genauso energiegeladen aus dem Bett springen würde wie Josefine, noch immer auf sich warten. Vielleicht brauche ich einfach noch etwas Zeit, sagte sie sich immer wieder und kämpfte gegen den unangenehmen Gedanken an, möglicherweise bis ans Ende ihrer Tage im tiefsten Inneren eine verwöhnte Bürgerstochter zu bleiben. Dabei verdiente sie nun schon seit ein paar Monaten ihren eigenen Lebensunterhalt und würde gleich zu ihrer ersten Fechtstunde aufbrechen. Und verdiente sie nicht auch Josefines Lebensunterhalt mit? Die Freundin lebte von dem Geld, das sie ihr für die Überlassung der Dachkammer gab. Ab und zu verkaufte sie auch einen der fetten Hasen, die draußen im Hof in ihrem Stall saßen und ständig gefüttert werden wollten.
    Mit der Kerze in der Hand kletterte Friederike vorsichtig ins Erdgeschoss hinunter. Die leere Kaffeetasse hatte sie in der
Kammer gelassen, weil sie im Gegensatz zu Josefine eine freie Hand brauchte, um sich an der Leiter festzuhalten. Drei Sprossen fehlten, und sie hatte noch immer Angst, in einem Moment der Unachtsamkeit womöglich abzurutschen.
    In der mollig warmen Küche setzte sie sich vor das Feuer auf den abgesägten Buchenstamm, der ihnen als Schemel diente.
    »Und vergiss nicht, ihn gleich für diese Woche noch zum Essen einzuladen!«, mahnte Josefine, für die mit ihrem Eintritt in die Küche auch das morgendliche Stillschweigen beendet war.
    Friederike nickte nur und hielt den Eisenspieß mit dem Stück Brot zum Rösten über die Glut.
    »Er hat heute morgen in der Kirche auf der anderen Seite vom Gang gesessen. Vor uns. Die Anna und ich konnten ihn die ganze Zeit beobachten.«
    Josefine hatte ein in Friederikes Augen unbegreifliches Interesse an dem Wiener Fechtmeister entwickelt, der eigens nach Höchst geholt worden war, um den ins alte Schloss verbannten mutmaßlichen Sohn des Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz zu unterrichten.
    »Auch der Anna gefällt er …«
    Friederike schnaubte. Die Anna! Anfangs hatte sie noch Mitleid mit der ungewollt Schwangeren gehabt. Aber inzwischen erschien ihr die Geschichte von dem armen unschuldigen Mädchen, das in die Fänge eines rücksichtslosen Frauenhelden geraten war, immer weniger glaubwürdig. Jedem neuen Mann, der sich in Höchst blicken ließ, machte die Anna schöne Augen.
    »Wann kommt das Kind?«, fragte sie, während sie vorsichtig an ihrem frisch gerösteten Brot knabberte.
    »Es sollte nicht mehr lange dauern.«
    Josefine schien sich nicht festlegen zu wollen. Sie zog ihre Wolljacke aus und bedeutete Friederike, ein Stück zur Seite zu rücken. Mit einer einzigen schwungvollen Bewegung nahm sie den großen Kupferkessel über dem Feuer vom Haken und goss das heiße Waschwasser in den Holzzuber.

    Friederike war plötzlich gar nicht mehr kalt. Ihr Gesicht glühte. Sie erhob sich, um in ihre ebenfalls vorgewärmten Stiefel zu schlüpfen, als die Freundin erneut auf den Fechtlehrer zu sprechen kam.
    »Der Kurfürst persönlich hat ihn engagiert.«
    Energisch schrubbelte Josefine ein paar lange Unterhosen über die breiten Rillen des Waschbretts.
    »Er soll ausgezeichnete Referenzen haben.«
    »Ach ja?«
    Friederike schüttelte den Kopf. Als ob sie das nicht gewusst hätte! Schließlich hatte sie ihn ja auch engagiert. Sie schlüpfte in den gefütterten Rock, den ihr die van Alphens geschenkt hatten. Die Weste ließ sie weg. Sie saß zwar weniger stramm als das Schnürmieder, das sie in ihrem Leben als Frau hatte tragen müssen, aber sie engte doch ein, und beim Fechten wollte sie möglichst viel Bewegungsfreiheit haben. Sie wickelte auch schon lange kein Tuch mehr um ihre Brüste. Kein

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