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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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immer sehr freundlich und zuvorkommend zu ihm. So nett bist du zu mir nicht. Mir sagst du sofort, wenn du keine Lust mehr hast, mit mir zu reden.«
    »Ich wäre ja auch schön blöd, wenn ich zu Walder nicht nett wäre. Es kann ganz nützlich sein, wenn ich mir den warmhalte.«
    Wie nützlich, darauf hatte mich erst Martin gebracht. Er war nach den ersten Telefonaten dann doch so eifersüchtig geworden, dass er über Walder, wie er es sagte, »Erkundigungen« einholte. Wahrscheinlich hatte er einfach nur ein bisschen mehr gegoogelt als ich. Dabei war er auf ein Foto Walders gestoßen, das ihn augenscheinlich beruhigte (Zitat: »Wenn du mich wegen dem verlassen würdest, wäre das so, als wenn ein Lottogewinner den Tippschein mit sechs Richtigen gegen einen eintauscht, auf dem nur die Zusatzzahl angekreuzt ist«), und auf mehrere Verbindungen meines Chefs. Die könnten, sagte Martin, für mich noch sehr wichtig sein. Denn Walder war nicht nur stellvertretender Chefredakteur der
Metro-News
gewesen. »Viel besser ist«, hatte Martin gesagt, »dass er der Trauzeuge von Sebastian Kruse ist.« Das hatte er in den Onlinespalten einer People-Seite gefunden, wahrscheinlich bei playboy.de.
    »Sebastian Kruse?«, hatte ich gefragt.
    »Das ist der Personalchef von
Michelsen Media
und der Vorsitzende der
Munich Media School
, Süssie. Wenn der Walder bei dem für dich ein gutes Wort einlegt, brauchst du kein Praktikum mehr.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Die Munich Media School bildet jedes Jahr Journalisten für |100| zwanzig deutsche Tageszeitungen und zehn Magazine aus. Das ist die Topadresse, und ausgerechnet der Chef der Wützener Zeitung hat den goldenen Schlüssel dazu.«
    Martin liebte solche vermeintlich prosaischen Formulierungen. Sie passten zu ihm wie eine Schlachtplatte zu einem Veganer.
    »Deshalb solltest du dir den Walder unbedingt warmhalten, Süssie. Musst ja nicht gleich mit ihm in die Kiste springen, oder?«
    Nach diesem Satz hatte ich einfach aufgelegt, aber danach lange über das seltsame Verhältnis zwischen einem Chef und einer Praktikantin nachgedacht. Eigentlich sind die Rollen klar verteilt. Er oben, sie unten. »Er oben, sie unten«, ich sprach es leise vor mich hin und war stolz auf diese Formulierung und ihre doppeldeutige Wahrhaftigkeit. Er oben, sie unten, das war der Anfang, und das konnte auch das Ende werden. Dazwischen war alles möglich.
    Eine Praktikantin, das wurde mir in der folgenden, quasi wissenschaftlichen Deduktion deutlich, hatte viele Möglichkeiten, an einen festen Job zu kommen. Das ging auf dem konventionellen Weg, also durch Ehrgeiz/Talent/Zuverlässigkeit, genauso wie mit der, sagen wir mal, »natürlichen« Methode, also durch den Einsatz von (großen) Brüsten/Kulleraugen/hervorlugenden Strings. Möglich war auch eine Mischstrategie, wobei mir die Kombination Talent/Kulleraugen lieber war als Zuverlässigkeit/ große Brüste. Und das nicht nur, weil ich keine hatte.
    Anders gesagt: Wir Frauen brauchen nicht zwangsläufig besondere Kenntnisse, um etwas zu erreichen. Im Gegenteil: Dass Monica Lewinsky, die Mutter aller Praktikantinnen, fast Bill Clinton gestürzt hatte, war der Beweis für unsere grenzenlose Macht. Wir können Regierungen absetzen, Scheidungen provozieren, Gehälter in die Höhe treiben, Toppositionen abgreifen und benötigen dazu nicht mehr als mindestens eine der oben genannten Eigenschaften – und natürlich einen Mann als Chef. Wer es geschickt anstellt, kann das Abhängigkeitsverhältnis innerhalb |101| weniger Wochen bis zu einem Punkt verändern, an dem Juristen vielleicht schon von Erpressung sprechen würden. Er oben, sie unten. Sie oben, er unten. Wenn Sie verstehen, was ich meine.
    Weil ich, wie früher während des Studiums, mal wieder das Gefühl hatte, einer wichtigen, die Welt erklärenden Theorie auf der Spur zu sein, hatte ich mir in meiner Kladde Notizen gemacht. Das geschah, auch wie früher, fast automatisch. Ich stockte erst, als ich »sie oben, er unten« schrieb und an eine Umfrage in der
Yam!
denken musste, nach der exakt jene Stellung (Reiter!) die bevorzugte der Deutschen ist. Ich überflog mein Gekritzel, fand es kurz ungeheuer folgerichtig, riss dann trotzdem die zwei Seiten raus und warf sie in den Papierkorb. Das mochte ja alles stimmen, traf aber auf mich nicht zu. So war ich nicht, so wollte ich nicht werden, so durfte ich nicht denken.
    Dennoch war mir von diesem Moment an genau bewusst, was mir ein paar ungefährliche Telefonate

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