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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gekauft – das machte bei unserer winzigen Auflage immerhin ein Plus von etwa null Komma vier Prozent. Knapp vierhundert Exemplare lagen jetzt im Flur meiner Wohnung, genau wie das dunkelblaue Cap und der Kapuzenpulli, die ich bei meinen Einsätzen getragen hatte.
    Zweitens hatte ich zu Elisabeth intensiveren Kontakt als bisher. Schließlich musste ich doch jeden Tag erfahren, wie es ihr in der Schule ergangen war. Wir verabredeten deshalb, dass ich sie abends so gegen 8 Uhr anrufen würde. Mir wäre 7 noch lieber gewesen, um nach hinten mehr Zeit zu haben, aber das passte Elisabeth nicht, weil sie meist erst gegen 15 Uhr aus der Schule kam und dann Stunden brauchte, um ihre Notizen auszuwerten und zu strukturieren.
    Am ersten Tag telefonierten wir eine halbe Stunde, am zweiten fast eine, am dritten eineinhalb. Am fünften Abend war ich traurig, als sie kurz vor 11 Uhr sagte: »Dann sehen wir uns ja Montag, Herr Walder. Ich weiß gar nicht, wie ich das alles aufschreiben soll.«
    Es war natürlich kein Problem. Oder sagen wir mal: fast kein Problem. Nach einem langen, telefonfreien Wochenende, an dem Hercule Poirot einen Mann als Täter identifizierte, der am Anfang des Romans einmal kurz als Postbote durch den Krimi geradelt |94| war, setzten wir uns am Montag um 15 Uhr in den Konferenzraum und gingen ihre Texte (die sich anfänglich lasen wie Diplomarbeiten über die Bedeutung der Benediktinerklöster für das Schulwesen im frühen Mittelalter) Wort für Wort durch. Dann begannen wir damit, sie zu einer Serie umzuschreiben, die zu dem Besten gehörte, was die
Wützener Zeitung
ihren Lesern bis dahin geboten hatte. Knapp zweitausend Zeilen in fünf Folgen, für jeden Tag eine. Als wir die letzte am Donnerstagabend durchgegangen waren, legte ich Elisabeth meine rechte Hand auf die Schulter. »Das haben Sie sehr gut gemacht. Wissen Sie das eigentlich?«
    »Das habe ich alles nur Ihnen zu verdanken, Herr Walder. Vielen Dank.«
    Sie streckte mir die Hand entgegen. Ich nahm sie, überlegte kurz, Elisabeth an mich heranzuziehen und zu drücken, ließ es dann aber bleiben.
    »Ich habe mich zu bedanken, Elisabeth.«
    »Warum das denn, Herr Walder?«
    Sollte ich die Wahrheit sagen? Dass sie mir viele einsame Nächte erspart hatte, dass ich mich endlich mal wieder über etwas anderes gefreut hatte als über ein paar hundert im Vorjahresvergleich mehr verkaufte Zeitungsexemplare? Dass ich zwei Mal von ihr geträumt und sie in einem Traum nur einen gelben Bikini angehabt hatte? Lieber nicht.
    »Ich muss mich dafür bedanken, dass Sie so viel Zeit und Arbeit in die Schulserie gesteckt haben. Ihre Texte haben die Wützener Zeitung weiter nach vorn gebracht.«
    Um das auch in Zahlen belegen zu können, war ich am Mittwoch und Donnerstag wieder im Kapuzenpullover unterwegs gewesen. Die gekauften Zeitungen, es mögen zweihundert gewesen sein, hatte ich diesmal gleich zu einem Recyclingzentrum in einem Nachbarort gebracht.
    »Das freut mich sehr, Herr Walder. Aber dieser Erfolg ist allein Ihr Verdienst.«
    |95| Wahrscheinlich bin ich rot geworden. Wenn auch nur ein bisschen.
    Am nächsten Tag war sie weg. Sie konnte nicht einmal bis zum Feierabend in der Redaktion bleiben, weil am späten Nachmittag ihr Flug nach Stuttgart ging. Von dort wollte sie zu einer Freundin, bei der sie während des Praktikums beim
Badischen Kurier
wohnen konnte.
    Wir hatten am Freitagmorgen, zum Ende der vier Wochen, wie es sich gehört, ein Abschlussgespräch geführt. Auch wenn das eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Schließlich hatten wir uns fast alles, was es zu sagen gab, am Telefon gesagt. Dass sie tatsächlich Talent hatte, wusste sie längst, dass sie jetzt unbedingt Journalistin werden wollte, wusste ich. Wir hatten uns nicht gesucht, aber gefunden, rein beruflich natürlich.
    Deshalb ging es in diesem letzten Gespräch weniger um Inhalte als darum, noch so lange wie möglich zusammenzusitzen. Zumindest für mich. Zwischendurch überlegte ich, ob ich ihr jetzt, wo sie nicht mehr meine direkte Untergebene war, das Du anbieten sollte. Es war schon vorher mehr als komisch gewesen, mit jemandem bis spät in die Nacht zu telefonieren und ihn dabei zu siezen:
    »Dann schlafen Sie mal schön.«
    »Sie auch, Herr Walder. Vergessen Sie nicht, mir eine Reportage mitzubringen, die Sie früher geschrieben haben.«
    »Wollen Sie so was wirklich lesen?«
    »Ich glaube, Sie können verdammt gut schreiben. Oh, es ist schon ziemlich spät. Werden Sie nicht

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