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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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glaubte.
    Du bist jetzt erwachsen , versuchte ich ihm mit vielsagendem Blick mitzuteilen. Du musst lernen, deine Eltern als Reisegefährten auf der Straße des Lebens zu sehen . Doch es war nicht verwunderlich, dass er uns noch immer mit den Augen eines Kindes sah, da er im Alter von dreizehn Jahren von uns getrennt worden war.
    »Herrin, ich grüße dich«, sagte Konstantius leise. »Was kannst du mich über die Mysterien lehren?«
    »Alle Menschen, die von einer Frau geboren werden, erreichen eines Tages das Ende ihres Lebens«, murmelte ich, »und diese Zeit ist jetzt für dich gekommen. Von Seele zu Seele musst du zuhören und darfst dich nicht ablenken lassen. Dein Körper hat dir gute Dienste geleistet und hat sich dabei verbraucht. Du musst jetzt bereit sein, ihn loszulassen, ihn zu verlassen, dich aus dem Bereich des Greifbaren zu erheben, das dem Wechsel und Verfall unterliegt, dorthin, wo alles Licht ist und die ewige Natur aller Dinge sichtbar wird…«
    Viele Jahre war es her, seit ich diese Worte gelernt hatte. Ausgesprochen hatte ich sie nur einmal, als die anderen Novizinnen und ich uns dabei abwechselten, sie einer alten, sterbenden Priesterin vorzulesen; jetzt aber wurden sie von der Notwendigkeit ins Gedächtnis gerufen, vollständig und vollkommen.
    Den ganzen Tag hindurch wiederholte ich die Anweisungen und erklärte, der Körper sei zu einer Last geworden, die zu schwer zu tragen sei, und alle Empfindungen hörten schließlich auf. Wenn das geschehe, müsse die Seele bereit sein, sich durch die Schädeldecke hinaus aufzuschwingen und ihre Vereinigung mit der Quelle allen Seins zu suchen. Weltliche Sorgen und die Zuneigung zu allen, die man geliebt habe, würden sich verschwören, die Seele wieder zurückzuziehen, aber es sei notwendig, fest zu dem Entschluss zu stehen, das alles hinter sich zu lassen.
    »Du wirst durch einen langen, dunklen Tunnel kommen, so wie einst, als du dich aus dem Dunkel des Mutterleibs zwängtest. Es ist die Reise deiner Geburt im Geiste, und am Ende wirst du nicht ins Tageslicht, sondern in jenes Strahlen eintauchen, welches die wahre Quelle der Sonne ist…«
    Konstantius war eingeschlafen, doch ich redete weiter, denn ich wusste, dass ein Teil seiner Seele noch zuhörte. Mir schien, dass die Götter ihm einen sanften Tod bescheren wollten und dass er aus einer dieser Schlafperioden nicht mehr aufwachen würde, dass die Seele sich aus dem Körper erheben und das Fleisch, der leitenden Seele beraubt, auch aufgäbe.
    Inzwischen war allen klar geworden, dass der Kaiser im Sterben lag. Man sagte mir, der Lärm auf dem Marktplatz in der Stadt sei gedämpft und auf jedem Altar brenne Weihrauch.
    Die Menschen von Eburacum hatten Konstantius stets als einen der Ihren betrachtet: Er hatte sie vor den Pikten gerettet, und sie waren ihm dankbar. Im Kastell standen die Soldaten um den Amtssitz des Statthalters herum Wache; und Crocus und seine älteren Krieger hatten sich im Flur vor dem Gemach des Kaisers versammelt und warteten mit der unbegreiflichen Geduld treuer Jagdhunde.
    In der Nacht wachte Konstantius auf und konnte noch mit Konstantin reden. Ich war erschöpft zu Bett gegangen, doch in der stillen Stunde vor dem Morgengrauen kam ein Soldat, um mich zu holen. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht und bemühte mich um innere Fassung, doch in Wahrheit war ich nicht überrascht. Ich hatte Konstantius die Erlaubnis erteilt, von uns zu gehen, und ihn angeleitet, auf welche Weise. Es gab für ihn keinen Grund mehr, zu verweilen.
    »Er schwankt zwischen Bewusstsein und Ohnmacht«, flüsterte mir der Arzt zu, als ich zur Tür kam. »Und das Atmen fällt ihm schwer.«
    »Da kommt Mutter«, sagte Konstantin ein wenig verzweifelt, als ich mich auf dem niedrigen Hocker neben dem Bett niederließ. Konstantius bekam schlecht Luft, sein Atem stockte einen Augenblick lang, dann atmete er aus.
    »Legt ihm noch mehr Kissen in den Rücken«, sagte ich und schraubte das Fläschchen Rosenöl auf, das ich an einer Kette um den Hals trug. Ich sah, wie seine Nasenflügel bebten, der nächste Atemzug fiel ihm leichter. Dann schlug er die Augen auf, und sein Mund zuckte, als wollte er lächeln.
    Fürs Erste genügte es ihm, einfach nur zu atmen. Dann sammelte er seine Kraft und richtete seinen Blick auf Konstantin. »Denk daran…«, flüsterte er. »Kümmere dich… um deine Mutter… und deine Brüder… und Schwestern…« Mit unverwandtem Blick holte er noch einmal Luft. »Bete zum Höchsten

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