Die Priesterin von Avalon
sehen. Ich schrie, versetzte dem Pony einen ordentlichen Tritt und hing verzweifelt auf dem Tier, als es den Abhang hinabgaloppierte. Ich hörte einen römischen Fluch und den ausschlagenden Schweif des Maultiers, als es hinter mir hersetzte, doch wir waren alle bereits am Fuß des Hügels und weit in das Gewirr von Eichen und Erlen vorgedrungen, als der Römer mich schließlich eingeholt hatte.
»Bist du verletzt?« Er hatte eine tiefe Stimme und war, soweit ich es unter seinem Kriegsmantel erkennen konnte, kräftig gebaut, obwohl er groß war. Er griff in die Zügel, die ich kunstvoll hatte fallen lassen, als er näher kam.
Mein Pony hörte auf, sich zu wehren, als es die Hand eines Herrn und Meisters spürte, und da ich nunmehr von der Notwendigkeit befreit war, meine Kraft zwischen Pferd und Sturm aufzuteilen, zog ich den nächsten heulenden Windstoß auf uns hernieder.
»Danke! Habe Dank! Das Pony ging durch, und ich hatte Angst, zu stürzen!«
Er lenkte sein Maultier näher an meine Seite und legte mir einen Arm um die Schultern. Dankbar lehnte ich mich an ihn und war mir jetzt erst bewusst, wie lange ich keine größere Strecke zu Pferd zurückgelegt hatte. Seine Wärme durchdrang mich rascher, als ich erwartet hatte. Vielleicht hatte Heron recht, dachte ich matt, und er war wirklich die Sonne.
»Ich muss dich in einen Unterschlupf bringen«, sagte er mir ins Haar, und ein Schaudern durchlief mich, als ich seinen warmen Atem spürte. »Da entlang…«, sagte ich und deutete nach Süden. »Da steht ein alter Ziegelschuppen.« Die Ziegelbrenner hatten mit ihrer Sommerarbeit noch nicht begonnen; auf unserer Reise hierher hatten wir dort übernachtet.
Als wir den Schuppen erreichten, musste ich meine Erschöpfung nicht vortäuschen. Meine Knie gaben nach, sobald ich mich vom Pferd gleiten ließ, und nur die schnelle Reaktion des Römers rettete mich davor, zu stürzen. Einen Augenblick lang hielt er mich in den Armen, und ich merkte, dass wir gleich groß waren. Worin sind wir uns wohl noch gleich? , fragte ich mich und spürte die Kraft in seinen Armen.
Ich würde es wahrscheinlich nicht herausfinden. In seiner Weisheit hatte der Rat beschlossen, den Römer an unsere Sache zu binden und ihm beim Großen Ritual an Beltane eine der unseren zu geben; aber das Los war auf Aelia gefallen, nicht auf mich.
Zitternd sah ich zu, wie der Römer rasch und geschickt ein Feuer anzündete. Zumindest hatten die Ziegelbrenner genug Brennstoff dagelassen. Die kleine Flamme züngelte empor und beleuchtete einen sehnigen Arm, kräftige Wangenknochen und kurzes Haar, das vom Regen platt am Kopf anlag und den Farbton alten Goldes angenommen hatte. Als das Feuer die größeren Äste erfasste, stand er auf, um seinen Kriegsmantel auszuziehen und ihn tropfnass über einen der niedrigeren Balken zu hängen. Er trug eine graue, rot eingefasste Wolltunika. An seiner Hüfte hing ein kurzes Schwert in einer abgenutzten Lederscheide.
»Gib mir deinen Mantel«, sagte er und drehte sich um. »Das Feuer wird die Luft hier drinnen bald erwärmen, und vielleicht trocknet er…«
Plötzlich loderte das Feuer auf und beleuchtete ihn zum ersten Mal in voller Größe. Meine Welt stand still. Wache graue Augen schauten mich an. Sie belebten ein ansonsten unauffälliges, dauerhaft von Sonne und Wind gebräuntes Gesicht, das von der Kälte noch röter war als sonst. Dermaßen erschöpft und nass zeigte er sich kaum von seiner besten Seite, doch würde er ohnehin nie aufgrund seiner Schönheit berühmt werden. Seine Hautfarbe wies ihn als Angehörigen der römischen Kultur, nicht als ihren Abkömmling aus; er war kaum der Stoff für Prophezeiungen.
Dennoch kannte ich ihn.
Bei der Zeremonie, in der ich in den Kreis der Frauen aufgenommen wurde, hatte die Göttin ihn mir gezeigt. Er war der Liebhaber, der mich an den Beltanefeuern nehmen würde, und ich war die Frau, die sein Kind austragen würde…
Die Druiden haben den Falschen gefunden , dachte ich verzweifelt. Das ist nicht der Held aus Herons Weissagung, sondern aus meiner…
Ich weiß nicht, was in jenem Augenblick auf meinem Gesicht geschrieben stand, aber der Römer trat einen Schritt zurück und hob entschuldigend beide Hände.
»Bitte, Herrin, hab keine Angst. Ich bin Flavius Konstantius Chlorus, zu deinen Diensten.«
Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss, als ich merkte, dass auch ich nicht gerade vorteilhaft aussah. Aber so sollte es sein. Er musste mich als
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