Die Priesterin von Avalon
große Ebene. Ich wurde in einer Villa in den Danuvius-Auen geboren. Dakien ist noch immer Grenzprovinz - wir wurden sogar erst nach euch Britanniern römisch -, und die Goten versuchen, wieder Barbaren aus uns zu machen…«
»Wir haben gehört, dass Kaiser Claudius sie bei Nissa geschlagen hat«, sagte ich, als das Schweigen schon zu lange anhielt. Die letzte Villa hatten wir schon vor längerer Zeit passiert, und obwohl die Straße höher lag, rückte auf beiden Seiten dichter Wald näher. Das Klappern der Pferdehufe klang laut in diesem unbewohnten Land.
»Ja… ich war dabei«, antwortete Konstantius und rieb sich die Stelle am Oberschenkel, an der ich eine Narbe entdeckt hatte. »Aber es hätte ins Auge gehen können. Sie kamen von Osten, über das Euxinische Meer. Unsere Garnison in Marcianopolis schlug sie in die Flucht, doch sie segelten nach Süden, und es gelang ihnen, in die Ägäis vorzudringen, wo sie sich in drei Armeen aufteilten. Gallienus löschte die Herulianer in Thrakien aus, aber die Goten wüteten noch immer in Makedonien.
Wir holten sie schließlich bei Nissa ein. Es ist schwer, sich gegen nomadisierende Banden zu verteidigen, die einen Ort überfallen und sich dann wieder zurückziehen, aber barbarische Truppen können gegen unsere schwere Reiterei nichts ausrichten…« Sein Blick war weit in die Vergangenheit gerichtet. »Es war ein einziges Gemetzel. Danach war der Widerstand gebrochen. Hunger und schlechtes Wetter forderten ebenso viele Opfer unter den Versprengten wie unsere Waffen. Und die Pest.« Er verstummte, und mir fiel ein, dass die Pest auch die Römer dahingerafft hatte, auch seinen Großonkel, den Kaiser.
»War dein Heimatort außer Gefahr?«, fragte ich in dem Versuch, ihn vom Gedanken an Schlachten abzulenken.
Er blinzelte und brachte ein Lächeln zustande. »Ja - die Goten hatten es auf ältere und reichere Städte abgesehen. Dieses eine Mal war es von Vorteil, an der Grenze zu leben. Meine Familie ist dort ansässig, seitdem Trajan das Land erobert hat.«
»Die Familie meines Vater beherrschte das Land nördlich der Thamesis, bevor die Römer kamen«, stellte ich ein wenig selbstgefällig fest. Die Sonne brach durch die Wolken; ich löste meinen breitrandigen Hut vom Sattel und setzte ihn auf. »Aber mein Ahne hat sich mit dem Göttlichen Julius verbündet und dessen Familiennamen angenommen.«
»Aha…«, antwortete Konstantius, »meine Vorfahren sind weniger erlaucht. Einer meiner Ahnen war ein Klient des Flavius Vespasianus, des großen Kaisers, daher der Familienname. Doch der Erste meines Geschlechts, der sich in Dakien niedergelassen hat, war ein Zenturio, der eine Einheimische heiratete. Dessen muss ich mich jedoch nicht schämen. Manche behaupten, Vespasianus selbst stamme von einem der Begründer Roms ab, doch ich habe gehört, dass der Kaiser darüber lachte und zugab, sein Großvater sei ein einfacher Soldat in den Legionen gewesen. Es spielt keine Rolle. Jetzt sind wir alle Römer…«
»Vermutlich«, erwiderte ich. »Ich weiß, Coelius hielt die römischen Festtage ein. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mit ihm im großen Tempel von Claudius in Camulodunum war, um Weihrauch für den Kaiser zu verbrennen. Was öffentliche Belange anging, war er Römer, aber er hielt sich an die alten Überlieferungen, wenn es die Gesundheit oder das Land betraf. Auf diese Weise wurde ich gezeugt«, fügte ich widerstrebend hinzu. »In dem Jahr der großen Überflutungen wandte er sich an Avalon, und meine Mutter, die damals Hohepriesterin war, reiste nach Camulodunum, um mit ihm das Große Ritual zu begehen.«
»Also hast du von beiden Seiten königliches Blut.« Konstantius lächelte mich an. Dann wurde er nachdenklich. »Hat dein Vater dich je formal adoptiert?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wozu?«, sagte ich verbittert. »Ich sollte schon immer nach Avalon… Ist das wichtig für dich?«, fügte ich hinzu, nachdem ich sah, wie er die Stirn runzelte.
»Nicht für mich…«, sagte er rasch. »Kann sein, dass es rechtliche Komplikationen gibt… für unsere Hochzeit.«
»Du willst mich heiraten?« Ich hatte tatsächlich nicht darüber nachgedacht, da ich in Avalon zur Frau herangewachsen war, wo die Priesterinnen sich nicht an einen Mann banden.
»Aber gewiss! Oder«, fügte er hinzu, »wenigstens eine rechtliche Vereinbarung treffen, die dich schützt - war nicht die Zeremonie, die wir bei eurem Fest abgehalten haben, eine Vermählung?«
Ich schaute ihn
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