Die Priesterin von Avalon
es ein uneheliches Kind, und obwohl mein Vater mich nach britannischer Art anerkannt hatte, war es ihm nie in den Sinn gekommen, Papiere für eine formale Adoption ausstellen zu lassen, da er immer schon beabsichtigt hatte, mich nach Avalon zu schicken. Nach römischem Recht war ich Konstantius' Konkubine, eine Beziehung, die legal anerkannt, aber von niedrigerem Stand war als eine formale Eheschließung. Doch selbst wenn wir durch einen sakralen Akt verheiratet wären, nach ältester, formalster patrizischer Art, wäre es noch immer Sache meines Mannes gewesen, das Kind als sein eigenes anzunehmen und zu entscheiden, ob es großgezogen werden sollte.
Während ich zu erschöpft im Bett lag, um die Augen zu öffnen, aber noch angespannt vor Aufregung war, erschien es mir unrecht, dass der Mann diese Macht haben sollte. Er war es nicht, der das Kind aus seinem Fleisch und Blut geformt hatte, und er würde es auch nicht nähren. Avalon kam mir in den Sinn, als Cigfolla einmal mir und den anderen jungen Frauen die Künste einer Hebamme beigebracht hatte.
In alten Zeiten hatte die Frau eine Stärke besessen, die uns nicht mehr gegeben war. Wenn sie zu viele Kinder hatte oder nicht die Kraft, ein weiteres Kind großzuziehen, oder wenn dadurch dem Stamm zur falschen Jahreszeit zu viel Nahrung entzogen würde, hatte sie die Macht, ins Gesicht des Kindes zu schauen, ihre Hand fortzuziehen und das Kind ins Nichts zurückzuschicken, als wäre es nie geboren worden.
Während ich im Bett lag und der gedämpften Unterhaltung der Männer im Nebenraum lauschte, wurde mir klar, was Cigfolla gemeint hatte, wozu ich als Mädchen noch nicht in der Lage gewesen war. Eine Frau kann niemals ein Kind frei austragen, wenn sie nicht auch frei entscheiden kann, es abzutreiben. Ein Mann muss wissen, dass er atmet, weil seine Mutter sein Gesicht angesehen, es für gut befunden und sich frei entschieden hat, ihn zu nähren. Dieses Kind, das lebte, weil ich so viel aufgegeben hatte, um es zu empfangen und auszutragen, sollte nie vergessen, dass es mir sein Leben verdankte.
Dann kamen die Männer wieder ins Schlafzimmer, und mein kleiner Sohn wurde mir in die Arme gelegt. Konstantius schaute auf uns herab. Seine Miene trug Spuren von Qual, die wahrscheinlich meine Schmerzen widerspiegelten, doch seine Augen strahlten vor Freude.
»Ich habe dir einen Sohn geschenkt«, flüsterte ich.
»Er ist ein Prachtkerl«, antwortete Konstantius, »aber ich hätte ihn nicht gegen dich eintauschen wollen! Wir werden ihn Konstantin nennen.«
Ich sah den goldenen Flaum auf dem Kopf des Neugeborenen, dessen Rundung die Wölbung der Brust wiederholte, an der er bereits hungrig saugte. Von Rechts wegen mochte er seinem Vater gehören, doch ich war es, die durch meine Sorgfalt oder meine Vernachlässigung entscheiden würde, ob er überlebte.
Und er würde überleben! Diesem Kind zuliebe hatte ich die Leiden der Geburt auf mich genommen, hatte Avalon verlassen und alle dort, die ich liebte. Er musste es wert sein, gerettet zu werden, um meine Schmerzen zu rechtfertigen! Trotzdem, als ich ihn anlegte, dachte ich mit Genugtuung daran, dass jede Frau in sich diese enorme Macht hatte, Leben zu geben… oder zu nehmen.
10. Kapitel
A. D. 282
In dem Jahr, in dem Konstantin zehn Jahre alt wurde, zogen wir in den alten Palast in Sirmium. Seit der Geburt des Kindes waren wir regelmäßig umgezogen, sobald Konstantius wieder einmal versetzt wurde, wobei wir es fertig brachten, nicht nur zu überleben, sondern trotz des Aufruhrs nach der Ermordung Aurelians, als Konstantin zwei Jahre alt war, im Rang noch aufzusteigen. Dieser erste Tod eines Kaisers hatte mich erschreckt, denn ich empfand inzwischen Achtung für diesen kleinen Mann, dessen Befehl uns aus Britannien in ein neues Leben gerissen hatte. Doch nach Aurelian kam Tacitus, dessen Nachfolge Florianus antrat, auf Florianus wiederum folgte Probus, und wir alle hatten gelernt, dem jeweiligen Träger des Purpurs nicht mehr als wachsame Höflichkeit entgegenzubringen.
Probus erwies sich als fähiger Kaiser. Er unterdrückte die barbarischen Überfälle in Gallien und warb die geschlagenen Burgunder und Vandalen als verbündete Truppen an. Er schickte sie dann nach Britannien, um einen Aufstand niederzuschlagen, der vom derzeitigen Statthalter angezettelt wurde. Vom Verstand her sah ich die militärische Notwendigkeit ein, doch bei dem Gedanken, dass ein Römer eine Horde Barbaren auf mein Land losließ, blutete mir
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