Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
»für
Zunder
mußt du erst den Pilz vom Baum schneiden, und dann machst du die obere Schicht ab. Du mußt Asche kochen in einem Wasserkessel und das abgeschnittene Zeug da hineinwerfen. Wenn es wieder getrocknet ist, schlägst du es mit einem Knüppel weich. Das ist gar nicht so leicht. Aber es brennt gut. Schau!« Zuerst entnahm er dem Topf noch einen Streifen Birkenrinde und knüllte ihn in der Hand zusammen, dann legte er den braunen Zunderbrocken auf den Boden und den Stein daneben, ließ ihn aber nicht los: Während er ihn zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, schlug er leicht mit dem Feuereisen darauf. »Nicht zu sehr schlagen darf man, sonst platzen bloß Stückchen ab, und es kommen keine Funken.«
Alena wollte gerade schmunzelnd sagen, daß sie das schon wisse, da warf der Junge das Eisen aus der Hand und fuhr zum Zunder hinunter, um wild darauf herumzupusten. Immer wieder holte er Luft und blies.
»Es qualmt doch nicht einmal«, sagte sie. »Ich glaube, da ist noch kein Funke geflogen.«
»Doch! Irgendwie hat es nicht geklappt.«
»Hast du noch Geschwister?« fragte sie, um ihn vom Mißerfolg abzulenken.
»Zwei große Schwestern, die weben Kleider und so.« Er nahm erneut das Eisen und klopfte auf den Stein.
Endlich sprangen Funken auf den Zunder, und sofort stieg Rauch auf. Unter dem gemeinsamen Pusten des Jungen und Alenas entwickelte sich Glut. Schnell gab der Kleine die Birkenrinde hinzu; als sie leise knackte und Flammen aus ihr schlugen, warf er sie zwischen die trockenen Zweige in der Grube. Er gluckste glücklich. Dann riß er erschrocken das Gesicht hoch: »Wir müssen Lehm holen vom See!« Er sprang auf.
Was sollte das? Verwirrt folge ihm Alena zum Ufer.
Dort grub er die Hände in den Boden und stürzte zurück zur Grube. Alena tat es ihm nach; zähe, klebrige Erde von gelbbrauner Farbe in beiden Händen.
Der Junge hatte die dicken Äste wieder über die Grube geschoben, die sie vor ihrer Ankunft bedeckt hatten. Das Feuer leckte nach ihnen. Achtlos ließ er seine Lehmbrocken auf die Äste herunterklatschen. »Wirf es einfach oben drauf«, befahl er. »Wir müssen es völlig bedecken, nur ein kleines Loch für den Rauch darf bleiben.« Dann hielt er einen Augenblick inne und strahlte Alena an. »Danke, daß du mir hilfst.«
Der Pfad zum Dorf war kaum erkennbar. Die Füße der Menschen hatten in einer langen Spur, die sich durch die Bäume fädelte, den Boden ein wenig fester zusammengeklopft, das war alles. Mitunter hatte sich das Unterholz den Raum über dem Pfad schon zurückerobert; während der Junge sich darunter hindurchbückte, mußte Alena Sträucher zur Seite biegen und hinterher oft einen Ärmel ihres Kleides aus den dornenbewehrten Zweigen lösen, ehe sie weiterlaufen konnte.
Aber sie folgte ihrem kleinen Führer gern. Nie drehte der Junge sich um. Es schien ihm selbstverständlich zu sein, daß er eine erwachsene Frau durch den Wald führte. Lässig ließ er die Arme schaukeln, versetzte ab und an einem auf dem Pfad liegenden Ast einen Tritt oder haschte mit der Hand nach heruntersegelnden Samenschirmchen. Die traumwandlerische Sicherheit eines Kindes, das einen alltäglichen Weg entlangspazierte.
Alena wollte ihn packen, ihn herzen. Am liebsten hätte sie ihn sich auf die Schultern gesetzt und wäre mit ihm durch den Wald getollt.
Embricho würde staunen, wenn sie mit frischem Brot zum Nachtlager kam. Er würde sie dafür lieben! Sicher hatte er seit Wochen kein Brot mehr gegessen.
Hundegebell war zu hören und das Johlen von Kinderstimmen. Zwischen den Bäumen zeigten sich die ersten Strohdächer. Kaum waren der Junge und Alena zwischen die Häuser getreten, als langbeinige, dürre Hunde angesprungenkamen und begannen, witternd um sie herumzustreichen. Ihr kurzes Klaffen hörte sich nach Erstaunen an, beinahe, als müßten sie untereinander das Ergebnis ihrer Untersuchung beraten.
»Haut ab«, befahl der Junge, und die Hunde trollten sich widerwillig, hielten immer wieder inne, um über die Schulter zu blicken, bis er seine Aufforderung wiederholte. »Ihr sollt verschwinden!«
Kinder hatten die Ankömmlinge bald entdeckt und folgten ihnen in einer dichten Meute. »Wer ist das, Kitan?« fragten sie immer wieder, aber der Junge lief schweigend neben Alena her, das Kinn ein wenig angehoben.
Sie wußte nicht, ob sie lächeln oder erröten sollte. Nach dem Glühen im Gesicht und nach den verspannten Wangen zu urteilen, tat sie beides.
Vor einem strohgedeckten
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