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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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richtig?«
    »Es kommt vor.«
    »Warum? Eine Streitmacht wird doch kaum Wohnung beziehen inmitten der Wildnis, und wenn, dann rastet sie für wenige Tage. Ihr tut ihr keinen großen Schaden, wenn Ihr die Häuser zerstört. Für Euch sind sie jedoch verloren.«
    »Was wird die Streitmacht tun, wenn sie weiterzieht? Sie werden das Dorf in Brand setzen. Verloren sind die Häuser auf die eine oder die andere Weise. Ihr überseht den feinen Unterschied dazwischen, selbst das Dorf anzuzünden, oder es durch die Feinde vernichtet zu sehen. Es ist eine Frage der Ehre. Dem Angreifer nichts als Asche zu überlassen, beraubt ihn seiner Überlegenheit. Außerdem nehmen die Dorfbewohner in die Wälder mit, was sie nur können: das Vieh, bewegliche Habe, Werkzeuge.«
    Tietgaud schüttelte den Kopf. »Es bleibt dabei. Ein Volk, das mit Lumpen bezahlt, eines, das keine Münzen kennt, ist eine Horde von Barbaren, nichts weiter.«
    »So?« Alena bemühte sich, leise zu sprechen, um Kitan nicht aufzuschrecken. »Ihr schafft es immer wieder, Eure Unwissenheit zu beweisen. In den Burgen der Slawen häuft man längst persisches, byzantinisches und arabisches Silber an. Und das ist auch den Franken nicht unbekannt. Es erklärt, warum Ihr in den letzten Jahren besonders die Burgen angreift.«
    »Für eine Frau weißt du erstaunlich viel«, bemerkte Embricho kühl.
    Und du für einen Mann recht wenig, wollte sie erwidern, aber sie schluckte die Worte herunter.
    Kitans Kopf sank auf ihren Schoß, seine Hand umfaßte schlaftrunken ihr Bein. Alena hörte ihn tief und lang atmen. Sanft streichelte sie das Gesicht des Jungen.
     
    Tausend feine Nadeln stachen in ihr Gesicht. Tausend Küsse prasselten auf sie nieder, und da war eine zweite, kühle Haut, die auf ihrer lag. Alenas Herz klopfte rascher. Sie schlug die Augen auf. Wassertropfen lösten sich von den Wimpern und zerliefen dicht vor dem Gesicht auf braunem, feuchtem Laub. Ein kühler Wasservorhang strich über den Lagerplatz hinweg. Nieselregen. Er fiel nicht herab, schien vielmehr in der Luft zu stehen und sich auf alles niederzusetzen, das sich bewegte.
    Das Wollkleid hing klamm an Alenas Gliedern, und sie fror ein wenig. Dem grauen Licht nach mußte es noch früher Morgen sein. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen. Wo war Kitan? Wenn sie sich recht entsann, war er mit dem Kopf auf ihrem Schoß eingeschlafen, und sie war dann zur Seite gesunken.
    Bruns mächtiger Körper spannte sich neben ihr auf und sank wieder zusammen, spannte sich auf, sank zusammen. Dort drüben lag Embricho, den Rücken gekrümmt, die Knie herangezogen. Warum hatte ihn der Junge so ärgerlich gemacht? Schlafend sah der Hüne schwach aus, kraftlos. Beinahe hilfebedürftig.
    Wo sich das Feuer befunden hatte, lagen schwarze, nasse Äste. Tietgaud und Audulf hatten einander den Rücken zugewendet, als hätten sie sich gestritten.
    Ob Kitan schon ins Dorf zurückgekehrt war? Alena erhob sich. Sie fuhr sich mit den Händen über das Gesicht, wischte das Wasser herunter. Was für ein Morgen! Frierend und naß zu erwachen – und doch war sie froh, dem düsteren Reich der Träume entkommen zu sein, Vaters enttäuschtem Gesicht, den nach ihr speienden Volksmassen.Bemüht, keine lauten Geräusche zu machen, schlurfte Alena in Richtung des Sees. Nur Träume.
    Am Stamm einer Grauerle wölbten sich kopfgroße Auswüchse. Feuerwanzen tummelten sich in deren Rindenritzen, Hunderte roter Sechsbeiner. Eine an der anderen hockten die Wanzen in ihren schmalen Gängen, stiegen übereinander hinweg, um bessere Plätze zu ergattern, betasteten mit schmalen Fühlern das nasse Holz.
    Ein Schneckenhaus klebte unweit davon an einem Blatt. Makellose, glänzend-braune Windungen, und neben dem Haus das Blatt zur Hälfte abgefressen. Es mußte ein angenehmer, satter Schlaf sein, den die Schnecke schlief: Neues Futter in Reichweite, regelrecht den Mund daran angeschmiegt, und ein Haus bei sich, das Ruhe verhieß.
    Alenas Schritte stockten. Am Ufer stand Kitan, und auf seinen Schultern ruhte der Arm des Priesters. Ein feine Spitze bohrte sich tief in ihre Brust. Was tat er da, allein mit dem Jungen? Der Regen hatte die widerspenstigen, grauweißen Haare des Alten besiegt: Sie hingen in kleinen Wellen den Rücken hinunter. Breit spannten sich die Schultern, breiter, als es ihr bisher aufgefallen war. Wo schauten sie hin? Was redeten sie? Er hatte kein Recht, den Jungen anzurühren. Der Junge war ihr gefolgt, er hatte sich zu ihr geflüchtet,

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