Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
beantwortest meine Fragen, und ich weihe dich dafür in meine Pläne für Rethra ein. Urteilst du, daß Nevopor Unrecht geschieht, dann legst du sie ihm offen, und er wird mühelos vereiteln, was ich vorhabe. Ich begebe mich in deine Hand! So fest bin ich davon überzeugt, daß du auf meiner Seite stehen wirst.«
Seine Pläne wollte er preisgeben? Dann half sie möglicherweise ihrem Vater, indem sie dem Alten Dinge erklärte, die er leicht auch anderweitig herausfinden konnte – sie gewann viel mehr, als sie verlor. »Schwörst du es bei Sv… Svarogh, daß du mir die Wahrheit darüber sagen wirst, was du vorhast?«
»Ich schwöre es. Also, die Franken haben die Kleinkönige der Obodriten gegeneinander ausgespielt. Was ist dann geschehen?«
»Sie haben sich wieder zusammengeschlossen vor ein paar Jahren. Haben es ausgenutzt, daß die Ungarn das ostfränkische Reich überfielen – niemand konnte sich um sie kümmern, ihren Zusammenschluß verhindern.«
»Wer ist der neue Oberkönig?«
»Dobemysl heißt er. Ein starker Fürst von der Meeresküste.«
»Und die Franken haben nichts unternommen?«
»Sie haben es versucht. Ludwig ist gegen ihn gezogen, aber er hat verloren.«
Uvelan seufzte. »Die Obodriten in einer Hand, aber Redarier, Tollensanen, Zirzipanen und Kessiner uneins … Gibt es Gespräche über einen neuen Bund?«
»Ich weiß nichts davon. Es herrschen Kleinkönige und Fürsten. Sie wollen keinen Oberkönig, der ihren Einfluß einschränken könnte.«
»Bündeln würde er ihn, bündeln …« Der Priester verfiel in Grübeln.
Sie mußte ihn fragen. Alena hauchte mehr, als daß sie sprach: »Uvelan?«
Zuerst reagierte der Priester nicht, dann hob er den Kopf.
»Wie kommt es, daß du all das nicht weißt?«
Mit zusammengepreßten Lippen nickte er. »Ja, das muß dich erstaunen.« Er schöpfte geräuschvoll Atem. »Svarogh hat mich viele, viele Jahre zu einem Toten gemacht. Oder genauer, zu einem Tier. Ich habe gelebt bis zum jungen Mannesalter. Danach folgen nur Träume und wirre Erinnerungen, bis heute.«
»Ist das der Grund dafür, daß du immer so abweisend und still warst? Hier bei den Eichen bist du verändert, ein völlig anderer Mensch.«
»Ich bin kein anderer, Alena.«
»Haben deine Träume dich bitter gemacht?«
»Da ist –« Der Priester stockte. Er fuhr sich über den Nacken, sah zwischen die Bäume. Es schien, als ringe er um Worte. »Da ist etwas in mir drin, das ich weder ignorieren kann, noch mich ihm wirklich stellen. Ich will nicht in Tränenbäche ausbrechen. Das würde ich, wenn ich diesem Etwas offen ins Gesicht blicken würde.«
»Du fürchtest dich vor dir selbst?«
»Vielleicht ist es auch Mitleid mit mir selbst.« Er sprach leise. »Sehnsucht nach einem jungen Uvelan, der noch vom Leben träumt und nicht schon den Hauch des Todes im Genick spürt.« Lange Augenblicke schwieg Uvelan, dann wendete er ihr plötzlich das Gesicht zu. »Und du? Weshalb führst du vier Franken in den sicheren Tod? Zudem noch einen, den du schätzt?«
Alena schluckte. Die Worte stürzten durcheinander, ließen sich nicht greifen. »Er hat eine andere, die er liebt.«
Uvelans Blick bohrte sich tief in ihr Gesicht. »Sag mir die Wahrheit.«
Er würde sie verachten, wenn er es erfuhr. Was sollte sie sagen? Das strenge Antlitz des Priesters zerstampfte jede Lüge, noch ehe sie reif geworden war in Alenas Kopf. Ihre Stimme bebte. »Es gibt ein Menschenopfer. Svarožić hat es gefordert durch das Orakel.«
Entsetzt riß sich Uvelan los, stolperte zurück. »Ihr opfert …einen Menschen?« Die Augen weit aufgerissen, flüsterte er: »Und du bist ausgezogen, ihn zu fangen?«
Die Tränen siegten. Sie quollen in die Augen, daß alles vor Alena verschwamm, sie perlten die Wangen herunter. »Vater hatte gute Krieger ausgewählt. Ich habe sie nur begleitet.«
»Was ist geschehen? Die Franken haben sie getötet?«
Alena nickte.
»Das heißt, Nevopor erwartet, daß ihr mit einem Gefangenen zurückkehrt«, murmelte er. »Wieviel Volk kommt zusammen für das Opfer?«
»Zehn mal tausend.«
»So groß ist die Burg?«
Sie konnte nicht mehr antworten. Das Gesicht verzog sich im Schmerz, ein grober Strick schien sich um ihren Hals zu schließen. In einem mühevollen Schluchzer schnappte sie Luft. Sie hob eine Hand vor die Augen. Salzige Tränen tropften auf die Lippen, drängten sich in den Mund. Doch eine sanfte Wärme legte sich um sie wie ein Mantel. Alena schlug die Stirn dagegen, wimmerte.
Der
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