Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
tun?«

26. Kapitel
     
     
    »Alena, bitte! Wenn du dort irgendwo bist und mich hörst, komm zurück.« Embrichos Stimme scholl laut in den Wald. »Ich weiß, du bist wütend auf mich. Und du brauchst uns nicht. Aber wir brauchen dich! Wie sollen wir ohne dich Rethra finden? Und wie sollen wir unbeschadet in die Burg gelangen?«
    Bitterer Geschmack breitete sich auf Alenas Zunge aus. Die Klinge an ihrem Hals war inzwischen warm geworden. Aber sie war da, bereit, ihr das Leben zu nehmen.
    Embrichos Stimme entfernte sich. »Alena!«
    Sie zogen weiter. Ließen sie zurück. Ein paarmal hörte Alena noch trockene Äste knacken, dann war es still im Wald.
    »Nimm die Hände hinter den Rücken«, befahl das Flüstern am Ohr.
    Sie gehorchte.
    Der Mann vom nächsten Baum erhob sich, ohne den Körper vollständig zu strecken. Er reichte die Hanfschlinge herüber, und Alena fühlte bald darauf, wie sie sich um ihre Handgelenke zusammenzog. Wie ein Luchs vor dem Sprung blieb der Mann stehen, sah in die Richtung, aus der die letzten Lebenszeichen der Franken gekommen waren. Eine Weile spähte er, dann lösten sich seine Glieder. »Sie sind fort.«
    Hinter den Büschen und Bäumen kroch ein Dutzend Männer hervor. Sie hoben Äxte aus dem Laub, kurze Stiele mit seltsam geformten, spitzen Eisenblättern, und geflochtene Schilde, die in der Mitte durch hölzerne Buckel verstärkt waren. Die Wangen der Männer trugen Schatten, eswar, als seien die Augen in dunkle Gruben versenkt – glühende Kohlen inmitten von Gesichtern aus Asche.
    »Es sind Franken. Sie laufen in den Tod«, bemerkte einer. »Ich glaube, der Große hat etwas von Rethra gesagt.«
    Der Singsang der Linonen.
    Von Alenas Hals löste sich der Dolch, und sie holte Luft in einem schöpfenden Atemzug.
    Ein harter Zug am Strick riß ihre Arme nach hinten. »Dreh dich um.«
    Sie stöhnte auf, zog vor Schmerz die Schultern zu den Ohren. Die Wunden an den Handgelenken hatten sich gerade erst geschlossen. Mit um so wütenderem Stechen waren sie nun aufgebrochen. Langsam wendete Alena sich um. Sie atmete flach und biß die Zähne aufeinander, um nicht zu wimmern.
    Ein helles, zerknittertes Gesicht. Weiße Brauen, weiße Haare. Der Blick streng, kühl. »Wo ist der Priester?« Im Mund fehlten einige Schneidezähne.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Was hattet ihr mit ihm zu schaffen?«
    »Er wollte nach Rethra. Wie wir auch, also hat er sich uns angeschlossen.«
    Das Gesicht des Linonen leuchtete auf. Er sah an Alena vorbei zu den anderen Männern. »Habt ihr das gehört? Sie sagt, er will nach Rethra!«
    Kurze Freudenrufe ertönten.
    »Und nun? Wo ist er jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Er ist über Nacht verschwunden.«
    »Gut. Ich glaube, ich weiß, wo wir ihn finden werden.«
    »Was machen wir mit ihr?« fragte der, der die Hanfschlinge geknotet hatte.
    »Wir nehmen sie mit. Vielleicht hat er Verwendung für sie.«
    Als ein weiteres Zerren am Hanfseil Alena voranzwingen wollte, sperrte sie sich. Um den Schmerz an den Handgelenkenzu verringern, packte sie selbst mit den Fingern den Strick.
    »Was soll das? Du kommst mit uns, ob du willst oder nicht.«
    Alena spuckte auf den Boden. »Ich bin lange genug in Fesseln gelaufen. Ich bin kein Stück Vieh, das man hinter sich herzieht und im Nachbardorf verkauft!«
    »Was erwartest du? Daß wir uns mit Namen vorstellen?« Der Linone entblößte in einem Lächeln seine spärlichen Zähne. »Ich bin Vymer. Fügst du dich nun?«
    »Und ich bin Alena, die Tochter des Hochpriesters von Rethra. Ihr seid in Redariergebiet eingedrungen – eure Köpfe werden bald dünne Hälse aus Holz haben. Ein Schrei von mir, und ihr seid schneller in der Unterwelt, als euch lieb ist.«
    Vymer spitzte die Lippen und nickte mit emporgezogenen Brauen. »Du weißt zu kämpfen. Aber ich bin nicht das erste Mal hier. Ich kenne die Dörfer und Burgen und weiß wohl, sie zu umgehen. Nevopors Tochter … Das kann uns nützen. Natürlich hast du recht, was das Schreien angeht.« Er blickte zu den Männern hinüber. »Knebelt sie.«
     
    Es war ein Hügel inmitten des Waldes, eine baumlose Erhebung, bis auf vier uralte Eichen, die auf dem Scheitel der Lichtung ihre kräftigen Kronen ineinanderstreckten. In dunklem Rot und Grün leuchtete die Rinde der Bäume. Die Stämme hatten den Umfang von Riesenbeinen, und sie verzweigten sich in den Himmel hinauf zu einem einzigen, ungeheuren Körper von Ästen und grünem Laub. Abgestorbenes, entrindetes Holz hing zum Boden, Hände,

Weitere Kostenlose Bücher