Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
wie Honig. »Du freust dich?« hauchte er. »Dann haben sich die langwierigen Vorbereitungen gelohnt.«
»Wer sagt dir, daß du nicht wieder scheitern wirst?«
»Ich bin nie gescheitert! Du befindest dich nicht in der Lage für große Worte. Hat dir das Alter den gesunden Verstand geraubt?«
»Weder den Verstand noch die Erinnerung.« Das Lächeln verschwand aus Uvelans Gesicht. »Du weißt, welchen Frevel du begangen hast. Nun erwartet dich Svaroghs Rache.«
»Bring mich nicht zum Lachen, Uvelan. Du wirst geknebelt sein. Kein Wort vor dem Volk. Wer sollte dich unterstützen?«
Er schüttelte den Kopf. »Andere vor dir sind durch ihren Hochmut gestürzt.«
Wie er es aussprach. Es lag Endgültigkeit in seinen Worten. »Ja, einer davon steht vor mir«, erwiderte Nevopor. »Du hast meinen Tempelbau belächelt damals, als das Volk noch deinen Hain besuchte, nicht wahr?« Er sollte den Wortwechsel besser abbrechen. Kehrtmachend zischte er über die Schulter: »Bringt ihn zum Pfahl.« Sechs Männer. Uvelan würde nicht fliehen können.
»Seht euch vor, daß ihr auf der richtigen Seite steht«, ächzte der Gepackte, »wenn sich in den nächsten Tagen die Verhältnisse ändern.«
Sie würden nicht darauf achten. Es waren Barchans Krieger.
Die Sterne verschwanden. Wolken zogen auf, graue Wollberge auf einer himmelüberspannenden Schafshaut. Noch war die Sonne nicht zu sehen, aber über den Bäumen am Ostufer leuchtete das Firmament bereits in hellem Rot.
Sie erreichten Donik. Beim Anblick der ausgezehrten Gestalt hob Nevopor das Kinn, faßte sich. Er hielt die Zügel in der Hand, daran gab es keinen Zweifel. Einer Regung folgend, hockte er sich ans Wasser und plätscherte im Naß.
Das Geräusch ließ den Gefolterten zusammenzucken. Das Augenpaar, geschlossen, lag in Löchern, die Wangen waren eingefallen, die Lippen aufgeplatzt wie überreifes Obst.
»Donik, du hast Besuch.«
Zuerst zitterten seine Lider, dann hoben sie sich langsam, und schließlich riß er ganz die Augen auf, weitete sie, verengte sie wieder. Offensichtlich sah er nichts. Matschige, rote Linien durchzogen die Augäpfel. Donik röchelte, bewegte die Lippen und gab fauchende Tierlaute von sich.
»Sieh genau hin. Es ist jemand da für dich.«
Die blaurote Haut in Doniks Gesicht zuckte. Er atmete schneller. Wieder weiteten sich die Augen, verengten sich. Dann blieb der Blick auf Uvelan liegen. Ein Stöhnen zwängte sich aus Doniks Mund. Husten folgte. Der Mund verzog sich, die Schultern verkrampften sich zum Hals hin. Es dauerte lange, bis Nevopor begriff, daß es ein Lachen war. Donik lachte.
Leisen knallte es in seinem Mund, dann schob sich eine dicke, dunkle Zunge zwischen den Zähnen hervor. Plötzlich krächzte er verständliche Worte: »Du … du hast es … geschafft.«
»Er ist in meiner Gewalt«, sagte Nevopor. »Ihr habt versagt.«
Donik tat, als hätte er es nicht gehört. »Ich wußte … daß du es schaffen würdest.« Er sprach im Wechsel in hohenKinderlauten und tiefem Brummen, zwischendrin brach die Stimme und nicht mehr als ein tonloses Hauchen kam ihm über die Lippen. »Du hast meinem Vater … Zuflucht gewährt vor seinen Verfolgern. Weißt du das noch? Sie wären fast …« Er hustete trocken. »Fast wären sie … über den kleinen Zaun geklettert.«
Uvelan nickte. »Vymer, ja.«
»Viele glauben … an dich und Svarogh. Einen Hochpriester setzt man nicht einfach ab.«
»Du irrst dich, Donik!« brüllte Nevopor. »Uvelan wird sterben. Er wird hier in Rethra sterben, du wirst seine Schreie hören!«
Doniks Augenlider flackerten, der Kopf drohte zu kippen. »Wird er das? Wird er sterben?« Wieder der verzogene Mund, das Lächeln.
»Weißt du, wie du aussiehst?« Nevopor trat nahe an ihn heran. »Ein Tier bist du geworden, ein Dämon. Du stinkst, und dein Lachen ist nichts als ein Hustenkrampf. Ich hasse Unwürdigkeiten! Nein, du wirst Uvelans Tod nicht mehr erleben.« Er zog das Messer, riß es nach oben, fuhr quer über Doniks Hals. Ein roter Streifen erschien. Dicke Blutstropfen quollen hervor, zäh wie Harz.
Doniks Lächeln wurde noch breiter. »Weißt du«, röchelte er, »was das war, Nevopor? Das war …« Er hustete Blut, und ein dicker roter Schwall brach aus dem Schnitt im Hals heraus. Mühevoll kroch ein Flüstern aus Doniks Mund: »Schwäche, Nevopor, Schwäche.« Er atmete stockend aus. Der Kopf fiel nach vorn und hing reglos.
»Ich hasse Unwürdigkeiten«, wiederholte Nevopor.
Sie stiegen den Hang
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