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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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er, »und ich werde ihn töten, genauso wie ich Alena hart bestrafen werde. Auch wenn du nicht redest – ihre Pläne werden vereitelt! Ich dachte nur, du hättest genug Kraft, um dich an ihr zu rächen und ihr die Lehre zu erteilen, wie es ist, verraten zu werden. Aber scheinbar reicht deine Stärke nicht einmal dafür aus. Du schützt sie, weil du sie noch immer liebst. Du willst nicht verstehen, daß sie dir in den Rücken gefallen ist, du willst schwach sein, willst dem gerechtfertigten Haß keinen Raum geben, weil du hoffst, daß sie sich besinnt, daß sie dich im Innersten liebt, wie du sie liebst. Ich sage dir: Es ist eine Täuschung. Nur bist du zu elend für die kalte Wahrheit.« Nevopor wendete sich ab. »Willst du wissen, was das Schlimme ist? Sie wußte, daß du so schwach sein würdest.«
    Der Franke stöhnte auf, als wäre er mit dem Hammer auf die Stirn geschlagen worden. »Versprich mir, daß du sie mit Härte strafst!«
    »Das werde ich.«
    »Im Morgengrauen«, raunte der Hüne, »in drei Tagen, wird sich der Alte in die Burg schleichen. Er kommt durch das kleine Seetor in der hinteren Mauer.«
    »Miesko, Cozilo? Nehmt euch den Mönch zur Brust. Bringt ihn dazu, über Luitberts Heer zu reden.«
    Im Hinausgehen erhaschte Nevopor Mieskos Blick, der ihn mit Genugtuung erfüllte: Während der alte Gefolgsmann bewundernd die Unterlippe vorschob, lag in seinen geweiteten Augen kalte Furcht.
     
    Chrs, der Mondgott, hatte sein rotes Kriegskleid übergeworfen. Der Abgezehrte zeigte sich in jener Nacht als machtvolles, feuriges Himmelslicht. Wie der riesige Schild eines Kämpfers hing sein Zeichen über dem See. Es tauchte die Tempelburg in einen geisterhaften Schein. Silberne Wolkenschleier suchten Chrs zu besänftigen. Sie legten sich sanft um den Feuermond, streckten ihre glitzernden Arme in ruhiger Geste über den Himmel. Und da waren Sterne, Tausende und Abertausende, helle, dunkle, flimmernde, sprühende, strahlende und flackernde, solche, die bald verlöschen würden, und solche, die erst in beißender Kraft aufgegangen waren.
    Auch wenn mein Stern bald untergehen wird, dachte Uvelan, noch leuchtet er in vollem Glanz: Ich habe ein Ziel, einen Weg. Aus einer Laune heraus begann er, die Sterne in einem Winkel zu zählen, brach dann leise lachend ab, nur um an anderer Stelle wieder einzusetzen. So viele Menschen gab es! Vielen brannte ein helles Licht am Himmel. Es gab Hoffnung.
    Der verfärbte Mond erschreckte Uvelan nicht. Vielmehr erfüllte er ihn mit erregter Erwartung auf den kommenden Morgen. Der Krieg galt nicht ihm, er galt Rethra. Ob sie den Mond bemerkten? Ob sie ihn richtig deuteten und bereits ahnten, was ihnen drohte?
    Uvelan kniete sich in den kühlen Ufersand und tauchte zwei Finger ins Seewasser. Er zog Kreise, betrachtete die kleine Delle in der Oberfläche, die den Fingern folgte. Was, wenn sich ein Hecht heranpirschte und zubiß? Dann würde er ihn packen und herausziehen. Uvelan schnippte auf das Wasser und lauschte dem plätschernden Geräusch.
    Sie hatte die Wahrheit gesagt vor drei Tagen im Hain. Um sicherzugehen hatte Uvelan den Ablauf zweimal beobachtet: Tatsächlich verschwanden kurz vor dem Ende der Nacht die Wachen von der Mauer am See, und mit dem ersten grauen Schimmer am Firmament öffnete sich das kleine Tor. Es entließ einen jungen Mann mit schlacksigem,schmalem Körper, der ein Boot bestieg und es zu den Reusen hinausstakte, um den kargen Fang herauszuklauben. Erst wenn der Junge zurückgekehrt war und die Sonne den ersten goldenen Zipfel über die Bäume reckte, erschienen wieder Menschen auf dem Wall. Die Reusenfahrt des Jünglings ließ genug Zeit, an der Mauer entlang zum Tor zu schleichen und in die Burg zu schlüpfen, und sofern er sich nicht umwandte, konnte es unbemerkt geschehen.
    Sorge bereitete Uvelan etwas anderes, das Alena nicht vorhergesagt hatte. Am Ufer stand ein Pfahl, und ein Mensch war daran festgebunden. Deutlich hatte Uvelan gestern die hellen Seile gesehen, die Hals, Brustkorb, Hüfte und Beine des Menschen an den hölzernen Stamm zwangen. Zwar schien der Gefolterte fortwährend zu schlafen – der Kopf hing zur Seite herab, und er bewegte sich nicht –, aber was, wenn er erwachte und Alarm schlug, um seine Peiniger für sich zu gewinnen und vielleicht ihre Vergebung zu erlangen? Dieser Gefahr konnte Uvelan nicht ausweichen.
    »Chrs, du hast dich zum Krieg gerüstet«, sagte er leise. »Unterstütze mich, wenn die Sonne aufgehen will; halte sie

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