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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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gewalttätigen Mann. Schwanger war sie! Und ich habe sie fortgeschickt, denn Gerüchte über uns begannen bereits das Volk zu verunsichern. Man hätte es als Beweis für unser Verhältnis gesehen, wenn ich sie bei mir aufgenommen hätte, selbst wenn ich sie fortan nicht mehr angerührt hätte. Ich schickte sie fort und habe sie nie wieder gesehen, denn als du zur Welt gekommen warst, Alena, hat Nevopor sie endgültig für ihre Untreue und ihren Widerstand bestraft.«
    »Wie? Wie hat er sie bestraft?«
    Kaum merklich wippte der Bart. Ein Nicken.
    In diesem Augenblick öffnete sich hinter Alena die Stalltür. Kaltes, helles Licht brach herein, und im Türrahmen erschien der Umriß eines Mannes in langem Priestermantel.
    »Lauf!« brüllte Uvelan.
     
    Nevopor donnerte die Hände an die Balken rechts und links neben sich. Wer auch immer laufen sollte, an ihm würde er nicht vorbeikommen.
    Dann ergriffen seine Augen die zweite Gestalt im Stall. Der Speichel wurde ihm bitter. Alena. Uvelans Macht hatte ausgereicht, die Verschwörung bis in Nevopors eigenes Haus auszudehnen. Was erwartete ihn noch? Wie stark war dieser Mann, der einfach nicht sterben wollte? Er hatte ihm Kara gestohlen, und nun auch Alena.
    Jedesmal wenn er einen Sohn vermißt hatte, den er zu einem guten Nachfolger hätte erziehen können, hatte ein Blick auf Alena genügt, um ihn zu besänftigen. Das Echo ihres Lachens zwischen den Wällen half ihm über Kummer hinweg, und der weiche, blumige Geruch, der das Haus erfüllte, wenn sie auf der Bank saß und einen Gürtel webte,ließ ihn die Trauer über den fehlenden Nachfolger vergessen. Man liebte seine Tochter in Rethra und in den umgebenden Dörfern. Um ihre Schönheit drehten sich die Gespräche an jedem Herdfeuer. Verstärkte sie nicht so seinen Einfluß? Nicht wie ein Sohn es konnte, aber doch tat sie es, auf ihre Art.
    Er hatte sie gern auf dem Schoß gehalten, um ihr von den Geistern zu erzählen, von den guten und den bösen Göttern, vom Waldherrscher, vom Donner und vom Wind.
»Seiðr«
, hatten die Dänen damals gesagt, als er Alena der Gesandtschaft König Horiks vorstellte.
S eiðr
, weil sie in der Schönheit seiner Tochter die Kraft von Magie sahen. Sie spielte mit ihnen wie mit Puppen. Zum erstenmal beschlich ihn eine Ahnung von der Macht, die sie trotz ihrer Weiblichkeit auszuüben in der Lage war, und zusammen mit der Freude darüber erwachte die Furcht, daß sie ihn verraten könnte wie Kara. Auch Kara war schön gewesen. Äußerlich. Wuchs vielleicht in Alena, in diesem ebenmäßig geformten Mädchen, die gleiche Wölfin heran? Würde auch sie sich ihm entgegenwerfen? Er hatte damals von dieser Frage wieder abgelassen. Vielleicht erlag er selbst dem Zauber seiner Tochter.
    Heute tobte die Wölfin in ihr. So lohnte sie ihm all das Vertrauen?
    Hatte sie die giftigen Pläne bereits in ihrem Herzen getragen, als er sie mit den Kriegern zur Elbe sandte? War sie vielleicht für deren Tod verantwortlich, und all dies gehörte zu einer lange vorbereiteten Rebellion? Erfüllte er vielleicht mit jedem Wort, das er sprach, mit jeder Anordnung, die er traf, genau die Erwartungen der Verschwörer, weil Alena, die ihn durch und durch kannte, sie beriet?
    Es konnte nicht geplant gewesen sein, daß er hier auftauchte. Alena zitterte, Mund und Augen standen weit offen – sie war offensichtlich zu Tode erschreckt. Zu Tode … Was würde er mit ihr anstellen?
    Und was, wenn sie unschuldig war? Wenn die Frauen –Kara, Alena – zu Recht fühlten, daß er den falschen Weg beschritten hatte mit der Tempelburg? Wenn
er
einen Wolf in sich trug?
    Nevopor wischte den Gedanken fort. Warmer, wohltuender Haß flammte auf in seiner Brust. »Also ist es wahr«, sagte er. »Du hast all die Jahre des Friedens und der Güte ertränkt und stürzt dich wie eine Kranke auf den eigenen Vater.« Die Geschwindigkeit, in der der Schmerz zu Asche verbrannte, überraschte Nevopor. Sie war seine Feindin, wie Kara. Dann sollte sie auch spüren, wie es denen erging, die ihm in den Rücken fielen.
    Alena schwieg. Sie zitterte immer noch und starrte ihn an wie ein Reh den Wolf, der es in jedem Augenblick zu zerfleischen droht.
    »Denkst du an Flucht? Vergiß es. Vor dem Stall ist die Garde versammelt.«
    »Willst du mich töten, wie du Mutter getötet hast?« wisperte sie. »Vater?«
    Sie versuchte, ihn zu schwächen. Das würde ihr nicht gelingen. Er ballte die Hände zu Fäusten. »Nenne mich nie wieder Vater. Hast du

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