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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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heranwuchs. Das Gefühl, wenn der erste Schrei erscholl, wenn der warme, nasse Kinderkörper sich in die Mutterarme schmiegte. Die Gewißheit, für einen kleinen Menschen das Zuhause zu sein; das Gebrauchtwerden, wenn alle Schreie nur ihr galten.
    »Ich gebe nicht auf«, murmelte sie. Sie würde sehr wohl eines Tages einem kleinen Kerl die ersten Schritte beibringen, würde ihn füttern und pflegen, würde erleben, wie er nach Dingen griff, wie er lernte zu sprechen. Sie würde einer Tochter zeigen, wie man einen Faden sponn, würde ihr zärtlich den Kamm durch die Haare führen, würde für sie singen und sie streicheln. Alena würde kämpfen.
    »Brun.«
    Ein leises Ächzen quälte sich über seine Lippen. Der Kräftige, Unbesiegbare – er lehnte an der Wand wie ein sterbender Bär. Dunkle Spuren zeichneten sein Gesicht. Blutbahnen. Die Augen waren nichts als tiefe, schwarze Höhlen.
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte Embricho. »Wir fallen auf diesen Schwindel nicht herein.«
    »Wovon redest du?«
    »Von deinem Vater, der dich hierherschickt, weil die Folter nicht die gewünschten Antworten gebracht hat. Sobald du das Nötige erfahren hast, läßt du die Fesseln von den Händen fallen und spazierst hinaus. Denkst du, ich traue jemandem, der mich verraten hat wie du?«
    »Du wirfst mir Verrat vor? Du?«
    »Ich glaube, es liegt in eurer Familie. Ihr hintergeht Menschen, um eure Zwecke zu erreichen. Die Leben anderer sind euch nichts wert.«
    »Das ist nicht wahr. Mein Vater ist so – ich bin es nicht.«
    »Verstehe. Du hast uns den Häschern Rethras versehentlich preisgegeben.«
    »Barchan hatte euch schon entdeckt, als ich im Wald auf ihn traf. Was hätte ich tun sollen? Ihm gestehen, daß ich dabei war, meinem Vater in den Rücken zu fallen? Das hätte die Sache nicht besser gemacht.«
    »Zumindest nicht für dich.«
    Für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. Schließlich sagte sie: »Uvelans Plan sollte auch euch retten.«
    Embricho lachte. »Uvelan. Hast du wirklich geglaubt, er könnte etwas ausrichten gegen die Macht dieser Priester? Ein verzweifelter alter Mann ist er, nichts weiter, und die Priester herrschen über eine große Tempelburg und was weiß ich wie viele Volksstämme.«
    »Er ist stärker, als du meinst. Es war ein Fehler von dir, ihn zu verraten.«
    »Er hat dir diesen Blumenkranz geschenkt, nicht wahr? Und die Feder. Daß er sich nicht schämt! Ein Greis, den nach einer jungen Frau lüstet.«
    »Du verstehst nichts, überhaupt nichts. Aber sein Mörder willst du sein. Du hast ihn verraten, er wurde gepackt, an die Wand gekettet im Heiligen Stall, und nun wird er geopfert. Daran trägst du die Schuld.«
    Sie hörte Embricho schlucken. Es war einen Augenblick still, dann raunte er: »Dein Vater hat mir erzählt, daß du mich verachtest, daß du mich für deine Zwecke benutzt. Er sagte: ›Sie wußte, daß du so schwach sein würdest.‹ Verstehst du, Alena? Daß ich schwach sein würde! Ihr habt es eingeplant, Uvelan und du. Brun, Audulf, Tietgaud und ich – wir waren doch nur Werkzeuge für eure Machenschaften.«
    »Uvelan bat mich, dir zu sagen, daß er dir verzeiht.«
    Der Hüne verstummte.
    »Und er hat mich zu dir geschickt. Ich soll mich an dich halten, das wünscht er.« Sie biß sich auf die Unterlippe, schmeckte Blut. »Du mußt selbst entscheiden, ob du den Lügen oder der Wahrheit glaubst.«
    Stunden verstrichen. Alenas Gedanken, die eine Fluchtmöglichkeit suchten, prallten wieder und wieder auf unüberwindliche Hindernisse: die Wachen, die Mauern, die Fesseln. Von draußen drang dumpf der Lärm des Lagers ins Haus. Manchmal schienen Kinder nahe an der Tür vorbeizurennen; ihr Gelächter, das Kreischen, wenn eins das andere gefangen hatte, all das gellte wie aus einer anderen Welt in das Schweigen der Gefangenen hinein.
    »Verzeih mir«, murmelte der Hüne.
     
    Als es längst ruhig geworden war rings um das Haus und der Spalt unter der Tür Schwärze zeigte, stand Embricho auf. »Audulf? Brun? Seid ihr wach?«
    »Was gibt es?«
    »Geht ihr mit mir? Es ist Zeit, Rethra das Handwerk zu legen.«
    »Ich bleibe hier«, sagte Audulf. »Die Unsichtbaren werden kommen, mich zu befreien.«
    »Was ist mit dir, Brun?«
    »Du hast meinen Segen«, stöhnte er. »Geh.«
    »Was hast du vor?« fragte Alena.
    Der Hüne trat heran, wendete ihr den Rücken zu. »Ichwill wiedergutmachen, was ich zerstört habe. Kannst du den Knoten mit den Zähnen öffnen?«
    »Und wenn es mir gelingt?«
    »Versuche,

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