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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Welche Entschuldigung konnte sie nur vorbringen?
    »Habe ich selbst gebrannt«, sagte Gnevka. »Willst du sie sehen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, stand sie auf und hob einen Krug herunter. Sie drückte ihn Alena in die Hand. »Schön, nicht?«
    Alena drehte das rauhe Tongefäß in den Händen. Zahlreiche Wellenlinien verzierten das obere Ende. »Ja, das sieht gut aus.«
    »Aber es gelingen nicht alle. Das kennst du ja sicher: Es genügt, das Loch der Feuergrube zu früh zu öffnen oder nicht genug Luft hineinzulassen oder zuviel Luft. So schnell passiert es, daß sie verbrennen, daß sie zusammenrutschen oder platzen!«
    Unruhig jagte Alenas Blick durch den Raum, blieb an einem hölzernen Tablett hängen. »Wer hat das geschnitzt?« Auf dem Ehrenplatz im Regal stand es, mitten zwischen den Gefäßen. Auf seiner Fläche neigten zwei Schwäne einander die Köpfe zu. Selten hatte Alena eine so kunstfertige Arbeit gesehen.
    »Das war mein Mann.« Gnevka sprach leise.
    »Ich habe es mir fast gedacht.«
    »Kaum ein Jahr ist es her, da ist er gestorben. In Reric war er –«
    »Kind!«
    »Wollte zu König Dobemysl und Beschwerde vorbringen.«
    »Kind, schweig!«
    »Irgendein Geheimnis gab es unter den Männern im Dorf, es hatte mit den Sachsen zu tun, und es hat ihn sehr zornig gemacht. Man sagte uns, daß die weiße Frau ihn auf dem Weg zum König in die Unterwelt abberufen hat, aber er war gesund und kräftig, ich glaube das nicht. Seit er tot ist, sind die Männer im Dorf noch schweigsamer geworden, mürrisch und schweigsam, als wüßten sie von einer furchtbaren Sache, die uns droht, aber wollten uns Frauen nichts davon sagen.«
    »Gnevka hat ihn sehr geliebt«, sagte die Mutter rasch. »Sie hat bald darauf einen kleinen Sohn zur Welt gebracht, aber der ist seinem Vater gefolgt. Hat es nur wenige Wochen hier ausgehalten.«
    Alena schluckte. »Ich fühle mit euch. Wirklich.«
    Zuerst bemerkte sie nur eine fremde Wärme an ihren Füßen, dann spürte sie, daß sich etwas Weiches an ihr Bein schmiegte. Erschrocken sah sie hinab. Eine kleine, gestreifte Katze strich um sie herum, den Schwanz genießerisch erhoben.
    »Das ist Milika. Sie bettelt.« Gnevka war sichtlich erleichtert, dem Gespräch eine Wendung geben zu können. »Tauche einen Finger in die Milch, und halte ihn ihr hin. Das ist es, was sie will.«
    Alena tat, wie ihr geheißen, und beugte sich zur Katze hinunter. Mit zu Schlitzen verengten Augen leckte Milika die kostbare Flüssigkeit von Alenas Haut, umtastete mit ihrer rauhen Zunge den Finger. Doch plötzlich ließ das Tier von ihr ab, wendete den Kopf zur Tür. Die langen, weißen Schnurrhaare zitterten. Draußen rumpelte es, helle Rufe waren zu hören. Dann traten drei junge Frauen ein, und Gnevkas Mutter stand auf, um ihnen Schemel zurechtzustellen. Eine der Frauen trug ein Kind auf dem Arm und führte ein weiteres an der Hand. Die anderen lehnten grobe Säcke an die Wand.
    Milika sprang auf den Tisch und entfloh von dort durchdie zerrissene Kalbshaut in einem der beiden Fenster. Wie gern wäre Alena ihr gefolgt, hinaus in die Freiheit, fort aus dem Dorf und aus dem Land der Obodriten, das sie, die sie sich unrechtmäßig hineingewagt hatte, wie ein Moor festhielt. Eine falsche Bewegung, ein falsches Wort bedeuteten ihren Untergang.
    »Sie mag den Trubel nicht«, sagte Gnevka. Flüsternd fügte sie hinzu: »Im Gegensatz zu Mutter.«
    Gnevkas Mutter stand am Tisch und lächelte die Kinder an, während sie mit einem Quirl Milch und Mehl in einer Holzschüssel zu Brei verrührte. »Ihr bekommt gleich ein leckeres Breichen mit Pflaumenstückchen, das ist fein, ja?«
    Es waren aufgeblähte Kindergesichter, die Wangen gewölbt und zerkratzt, die Augen vorwurfsvoll. Der Ältere der beiden wischte sich mit dem Ärmel den Rotz aus dem Gesicht.
    Die junge Mutter strich ihm über den Kopf. »Ach, das ist lieb. Da freuen sie sich.«
    Sie sahen nicht sehr dankbar aus. Alena würde ihre Kinder zu Freude und Dankbarkeit erziehen.
    Längst hatten die drei Frauen sich gesetzt. Sie musterten Alena, prüften nicht nur das Gesicht, sondern wanderten mit den Augen auch die Haare hinab, entlang der Brust, über die Arme.
    »Bleibst du länger?« fragte eine.
    Alena erhob sich. »Nein, ich wollte eigentlich längst –«
    »Nicht so eilig,« unterbrach sie die Frau und drückte sie mit sanfter Gewalt auf die Bank zurück. »Ein wenig Wolle wirst du doch noch für uns kämmen können? Wir brennen darauf, dich

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