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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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kennenzulernen.«
    Die breiten Bürsten wurden ihr gereicht, und Gnevka stand auf, um die Säcke mit ungekämmter Wolle herüberzutragen. Sie holte aus einer Truhe ein weiteres Paar der Wollwerkzeuge und setzte sich neben Alena. »Ich helfe dir.«
    Die beste Wolle war es nicht. Disteln und Kletten hingen darin, es gab viele Knoten, Hautschuppen und Verfilzungen.Alena legte einen Bausch auf das Nagelbett der einen Bürste und fuhr mit der anderen darüber, zog die Kämme immer wieder gegeneinander, bis die Wolle sauber war und gelockert. Der Sack duftete nach warmen Schafleibern; der Geruch verstärkte die Sehnsucht nach einem sicheren Platz, erinnerte sie an die Besuche bei ihrem Schafkind.
    »Hast du einen Mann?«
    Alena schüttelte den Kopf.
    »Hier gibt es nichts zu holen.«
    »Ich suche gar keinen.«
    Die Frauen lachten gezwungen.
    »Natürlich«, zischte eine. »Das hätte ich auch gesagt.«
    Es entstand eine furchtbare Stille. Alena fühlte sich zu Boden gedrückt. Sie würgte hervor: »Habt ihr die Wolle heute gezupft?«
    »Gezupft und gewaschen. Das Weibsvolk ist fleißig hier. Und du? Von zu Hause fortgelaufen?«
    »Ja«, log Alena. Sie spürte, daß Hals und Wangen erröteten.
    »Solltest wohl den Dorftrottel heiraten?«
    »Nein, ich –«
    »Dein Vater hat dich geschlagen?«
    Sie nickte. »Und eingesperrt.«
    Unbewegt nahmen die Frauen von Alenas und Gnevkas Wollhaufen. Sie hatten Spindeln hervorgeholt und zwirbelten mit den Fingern Anfangsfäden, die sie an der Spitze des Spindelstabes verknoteten. Dann versetzten sie ihre Spindeln mit der einen Hand in Drehung und zogen mit der anderen einen Faden aus dem Bausch, bis er ihre Armlänge erreicht hatte. Sie wickelten den Faden auf die Spindel und zogen erneut, den Bausch auf diese Weise langsam aufbrauchend.
    »Wirst wohl trotzdem zurückgehen müssen.«
    »Ich weiß.«
    »Hier jedenfalls bekommst du keinen Mann. Wir haben vier Jünglinge, sieben, wenn man die verstümmelten mitzählt.Selbst um die reißen sich die Mädchen. Du wirst keine Ernte einholen in Kamenica.«
    »Aber das will ich doch gar nicht.«
    Die Frauen taten, als hätten sie es nicht gehört. Nur eine nickte bedeutungsschwer.
    »Wißt ihr, wen ich vorhin beim Holzhacken gesehen habe? Lodiš.«
    »Du schaust ihm immer noch hinterher?«
    »Er hatte das Hemd ausgezogen. Die Muskeln auf seiner Brust – wie sie sich angespannt haben! Es war eine Freude, ihn zu sehen.«
    »Deswegen hat er es ja getan – sich das Hemd ausgezogen.«
    »Meinst du?«
    »Natürlich. Ohne Grund würde der doch nicht im Dorf arbeiten. Lodiš ist eingebildet und faul. Also, mein Mann muß später für mich auch schon mal Wasser holen gehen.«
    »So einen findest du nie. Wie ist das?« Sie sahen zur Mutter der kleinen Kinder hin. »Geht dein Mann Wasser holen?«
    »Wann soll er das tun? Er ist doch den ganzen Tag auf dem Feld.«
    »Ihr hättet sehen sollen, wie der Wind in Lodiš’ Haarschopf spielte …«
    Sie lachten.
    »Also, mein Mann muß gut zuhören können. Und er soll stark sein, und zärtlich, und eine Hand für die Jagd haben. In Brezgora, der Chat, der käme in Frage. Ich liebe gekochtes Fleisch.«
    »Du vergißt, daß er in fünf Wochen Dobrita heiratet.«
    Alena sah plötzlich Embricho vor sich, gefesselt, geknebelt und ohnmächtig. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Nach Zwerin mußte sie, augenblicklich, und ihn retten. Das Geschwätz der Frauen, die kurzen, überlegenen Blicke, mit denen sie sie zwischendrin bedachten – das machte sie zornig, ließ ihre Unruhe nur größer werden. Was, wenn sie einfachaufstand und hinausging? Sie war beauftragt, ein Opfer nach Rethra zu bringen, und die Obodriten waren im Begriff, es ihr unwiederbringlich zu entreißen. »In Zwerin, gibt es da gute Männer?« fragte sie.
    Die Frauen starrten sie an. Stille.
    »Geh doch hin, sieh dir das Angebot an«, sagte die eine, indem sie das Kinn vorreckte und ihr aus schmalen Augen giftige Blicke zuwarf.
    »Ja, sieh dir die Männer an und wähle, wer dir gefällt. Du wirst sicher Eindruck machen: Ein entlaufenes Kind, besitzlos, mit häßlichem Dialekt und faul zudem.«
    »Wie komme ich –«
    »Mein Mann war zärtlich, und er konnte gut zuhören.« Gnevkas Mutter fütterte die Kinder im Wechsel. »Aber er ist umgekommen damals. Es waren Linonen, ich habe den Dialekt ganz sicher gehört, dieses Gesinge, dieses Nuscheln. Sie haben ihn erschlagen. Linonen! Die Verräter. Es wurde natürlich abgestritten; hätten die Herren in

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