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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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nächstes an der Reihe? Ihr seid Kriegsknechte der Franken geworden. Belohnen sie euch nicht mit dem blutgetränkten Land, das ihr für sie erobert habt? Möge euch die Ernte im Halse steckenbleiben!«
    »Noch ein Wort, Alter, und du stirbst an Ort und Stelle.«
    »Du weißt nicht, wem du drohst.«
    Der Obodrite blieb stehen. »Zieht ihnen die Hemden aus und bindet sie um ihre Augen. Die Eisenmäntel und die Schwerter legt dort hinüber.«
    »Was soll das?« rief Tietgaud, als ihm die schwarze Kutte über den Kopf gerissen wurde. Er hielt das silberne Kreuz so fest in der Hand, daß die Knöchel sich weiß färbten. »Uvelan, ist das ein Teil Eures Plans?«
    »Es gibt keinen Plan, Mönch.« Uvelan stellte die Beine fest auf den Boden und schloß die Augen. Er griff sich in den Nacken und zog das Hemd über den Kopf. Schweigend reichte er es einem der Obodriten.
     
    Alena hob zögerlich den hölzernen Becher an den Mund und vermengte die Brotmasse auf der Zunge mit einem Schluck Milch. Sie kaute lange. Das Brot schmeckte nach Steinstaub, so, daß sie ein Husten unterdrücken mußte, und Sand knirschte zwischen ihren Zähnen. Sie sah hinüber zu der kleinen Handdrehmühle auf dem Tisch. Die armen Leute konnten sich keinen guten Mahlstein leisten, natürlich. Und schlechte Mahlsteine gaben mit jeder Drehung Grus in das Mehl ab. Sie mahlten es auch nicht so fein, wie es die guten Mühlen in Rethra taten.
    »Schmeckt es?« Gnevkas Mutter, eine Frau mit knochigem, schmalem Gesicht, neigte sich vor und lächelte erwartungsvoll.
    »Ja, wunderbar.« Sie saß fest. Vor den Ohren der Mutter konnte sie Gnevka nicht bitten, ihr den Weg zur Burg zu zeigen, sonst würde man sie gefangensetzen, bevor sie überhaupt das Dorf verlassen hatte. Und Gnevka ignorierte, seit sie das Haus betreten hatte, jedes Zeichen. Einmal hatte sie ein verzweifeltes Flüstern Alenas mit strengem Blick beendet und dann ihre Mutter um eine Belanglosigkeit gefragt. Ansonsten schien sie weder Gesten noch Blicke zu bemerken, mit denen Alena ihre Aufmerksamkeitzu erringen versuchte. Sie prallten an ihr ab wie an einer Mauer.
    »Nimm noch von den Pflaumen.«
    Es waren wilde Pflaumen, die in einer kleinen Holzschale auf dem Tisch standen. Alena führte eine Frucht zum Mund. Das Pflaumenfleisch war sehr süß, löste sich aber schwer vom Kern. Es klebte an den Zähnen. »Hab vielen Dank.«
    »Wohin, sagtest du, bist du unterwegs?«
    »Mutter, laß sie doch essen!« unterbrach Gnevka.
    »Natürlich, ich lasse sie essen.« Die Frau lächelte. »Weißt du, wir besitzen nicht viel. Aber wenn Gäste da sind, soll es ihnen gutgehen bei uns. Ich habe erzählt, daß du bei uns bist. Nachher kommen ein paar Mädchen, die sind ganz neugierig auf dich. Sie bringen Wolle und Spindeln mit, so können wir arbeiten, während du erzählst.«
    Gnevka runzelte die Stirn und rieb sich die entzündeten Augen. »Mutter, was ist, wenn sie sich erst einmal ausruhen möchte? Du kannst sie doch nicht feilbieten wie ein Lamm auf dem Zweriner Markt.«
    »Ja, Kind.« Das Lächeln blieb, während sie zu Alena sprach. »Die Arme, sie quält sich mit den Augen herum. Das kommt vom vielen Weinen. Jede Nacht weint sie sich in den Schlaf. Und statt die Witwen zu unterstützen, fordern sie in Zwerin mehr und mehr Honig für ihren Met und geben uns ein Nichts an Nahrung dafür. Wie ist es dort, wo du herkommst? Im Dorf nebenan haben sie nur Haferfelder, stell dir das vor, alles Hafer, für die Pferde in Zwerin. Die fressen uns das Land kahl. Nur, damit die Herren mit ihren Wagen fahren können.«
    »Du weißt genau, daß die Pferde für den Krieg gebraucht werden«, sagte Gnevka. »Willst du, daß uns die Redarier …« Sie stockte. »Daß uns … daß uns alle möglichen Feinde das Dorf niederbrennen? Zwerin ist wichtig. Die Krieger verteidigen unser Land.«
    »Indem sie zu den anderen reiten und
ihre
Dörfer abfackeln? So ist es doch. Wir könnten sehr gut ohne Herrenleben. Schau dir die Männer und Frauen an, die sie als Gefangene mitbringen von ihren Raubzügen und dann hart für sich arbeiten lassen – sehen sie so anders aus als wir? Du weißt doch, die zwei Sorben, die erst kürzlich –«
    »Ich weiß, Mutter.« Gnevka legte ihr die Hand auf den Arm und sah sie flehend an.
    Es wurde still. Alena blickte hinauf zu den Regalbrettern an der Wand, betrachtete die geschnitzten Holzschalen, die Krüge und Tontöpfe. Es war, als säße sie auf einem glühenden Ofen. Sie mußte fort von hier!

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