Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Wahrheit mit uns.«
»Ein weiter Weg liegt vor uns. Laßt uns gehen.«
Der Marder richtete seinen Finger wie einen Pfeil auf den Alten. »Zuerst nehmt Ihr zurück, was Ihr gesagt habt. Wir werden nicht sterben.«
Ohne Eile erhob sich Uvelan. »Ihr wollt, daß ich Euch belüge? Denkt einmal nach, Mönch. Was würdet Ihr tun, wenn ein Abgesandter Rethras an Eure Klosterpforte klopfen würde?«
»Ihn einlassen, natürlich.«
»Gut. Überlegen wir weiter. Er stellt sich auf einen freien Platz und berichtet den Menschen von Svarogh, dem wahren Gott des Himmels.«
»Dämonenwerk!«
»Er baut einen Opferplatz, nimmt ein Huhn. Er tötet es zu Ehren Svaroghs. Seht Ihr? Würde dieser Redarier nicht ein schnelles Ende finden bei Euch?« Uvelan sah einen nach dem anderen an. »Genau so wird es Euch in Rethra ergehen.«
»Das ist nicht wahr.« Plötzlich wurde der Mönch ruhig. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und aus dem Gesicht, schüttelte den Kopf. »Es gibt einen wichtigen Unterschied. Unser Gott, der allmächtige Schöpfer dieser Erde, ist auch der Herrscher über Leben und Tod. Und wenn es nicht sein Wille ist, wird er niemals zulassen, daß man uns ein Haar krümmt.«
Einige Augenblicke stand Uvelan da und betrachtete schweigend den Mönch, Brun, der am Feuer hockte, Audulf, Embricho. »Euer Glaube ist beachtlich. Ja, es mag sein, daß Svarogh Euer Leben rettet. Es mag sein.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Gehen wir. Ich hätte es gerne, wenn wir heute die Sümpfe verlassen könnten. Wir sollten spätestens morgen das Gebiet der Warnower erreichen. Wie auch immer Nevopors Tochter uns aus Javors Fängen befreit hat – er hat sein Wort nur einer Frau gegeben und mag anders entscheiden.«
17. Kapitel
Die Spitze einer weichen Feder, die ein warmer Wind in ihr Gesicht blies, weckte Alena. Drei rundgeschliffene, von weißen Bändern durchzogene Steine lagen dicht vor ihren Augen. Inmitten der Steine steckte schräg die Feder, deren feine Härchen ihre Haut streichelten. Lächelnd haschte sie nach der Federspitze, ließ sie durch die Finger gleiten. Sie war braun, verziert mit schwarzen Streifen. Alena löste die Steine aus dem Erdboden und drehte sie in den Händen. Die Sonne hatte sie bereits aufgewärmt.
Daß ein kräftiger, kriegerischer Mann zu so etwas fähig war! Sie stand auf. Sorgfältig darauf bedacht, den Blumenkranz nicht zu beschädigen, legte sie ihren Gürtel um. Sie hatte den Gürtel gestern durch den Kranz gezogen und die Blumen als Schmuck an ihrer Seite getragen. Für die Feder wußte sie auch schon einen Platz. Sie legte das Schläfenband an, rückte es zurecht, bis die Silberringe oberhalb der Wangenknochen klingelten. Dann schob sie die Feder in das Band. Embricho würde es sehen und sich freuen, daß sie sein Geschenk würdigte.
Bis auf Uvelan, der an einem Stamm lehnte und in die Baumkronen hinaufsah, schliefen die Männer noch, obwohl die Sonne bereits durch die Blätter blinzelte. Dort lag Embricho, das Gesicht zur Seite gedreht, einen Arm längs des Rückens ausgestreckt, den anderen vor dem Gesicht. Ein solcher Riese, und doch so zärtlich in seinem Werben. Bereute er es, gestern abweisend gesprochen zu haben?
Spinnweben funkelten im Morgenlicht: gleißende Fäden zwischen den Zweigen. Ein Specht pochte. Er hatte die Geduld eines Liebhabers, der an die Tür seiner Geliebtenklopft.
Tock-tock. Tock-tock-tock. Tock-tock.
Es raschelte unvermutet oben in den Bäumen. Alena sah hinauf. Rotes Fell blitzte. Der gebogene Körper eines Eichhörnchens flog durch die Luft, als hätte ein Baum es dem anderen zugeworfen. Im neuen Geäst kletterte es behende herab, huschte über eine lange Gabelung zum nächsten Stamm.
Warum mußte der Alte schon wach sein? Sie hätte Embricho gern mit einem Kuß geweckt, ohne, daß es jemand bemerkte.
Besser, wenn sie es nicht tat. Man sollte Liebhaber gut behandeln, aber nicht zu gut. Ab und an brauchten sie schlechte Behandlung, damit sie dankbar blieben. Hatte nicht Embricho sie genauso gequält? Aber sie achtete ihn nur noch mehr deshalb.
Ohne große Mühe, ihre Stimme zu dämpfen, wendete sie sich an Uvelan. »Könnt Ihr mir sagen, von welchem Vogel diese Feder stammt?« Sie deutete auf das Schläfenband.
»Natürlich«, sagte der Alte. »Das ist die Schwungfeder einer Eule.«
Alenas laute Worte verfehlten nicht ihre Wirkung auf die Schlafenden. Die Franken räkelten sich, grunzten ihre Müdigkeit hinaus. Tietgaud fluchte
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