Die Principessa
Doch ob sich gleich mein Herz sträubt, Dir solchen Kummer zu bereiten, und die Hand mir am Arm zu verdorren droht, ist es meine bittere Pflicht, Dich von dem Fürchterlichen in Kenntnis zu setzen, womit Gott der Herr – gelobt sei Sein Name – Deine Seele prüft, um sie für das Himmelreich zu läutern: Dein Mann, Lord McKinney, dieser aufrechte Mensch, unser herzensguter Schwiegersohn, ist verschieden, für immer dahingerafft von …
Clarissa wurde so schwindlig, dass sie nicht weiterlesen konnte. Sie blickte von dem Brief auf und sah Donna Olimpia, die stirnrunzelnd den Kopf schüttelte. Das helle Gesicht ihrer Cousine schien ganz verschwommen wie hinter einem Schleier, während die dunklen Ringellocken seitlich der Wangen immer rascher auf und ab tanzten.
Dann wurde Clarissa schwarz vor Augen, und ohnmächtig sank sie zu Boden.
DRITTES BUCH
Der Phönix
1647–1651
1
Papst Innozenz X. hatte kaum den Stuhl Petri bestiegen, da war seine Schwägerin Donna Olimpia darangegangen, die Nachbargebäude des einstigen Kardinalspalasts eines nach dem anderen aufzukaufen, um sie dem alten, wenig repräsentativen Wohnsitz der Familie Pamphili einzuverleiben. Und wie einst Jesus die Händler aus dem Tempel von Jerusalem vertrieben hatte, um das Gotteshaus seiner eigentlichen Bestimmung zurückzugeben, vertrieb sie die Marktleute und Huren von der Piazza Navona, damit dort, befreit von den niederen Zwecken des gewöhnlichen Lebens, das Forum Pamphili entstehen konnte, steinernes Zeugnis für die Größe und Bedeutung des neuen Herrschergeschlechts.
Obwohl Donna Olimpia den alten Girolamo Rainaldi zum persönlichen Architekten des Papstes ernannt hatte, machte Francesco Borromini sich keine geringe Hoffnung, zum Baumeister der gewaltigen Anlage berufen zu werden. Die nötige Erfahrung besaß er durchaus, und seine jüngsten Aufträge bewiesen, dass man ihm höchsten Orts die Leitung solcher Großunternehmen zutraute. Gerade war er zum neuen Architekten der Propaganda Fide bestellt worden, eines Kollegs, in dem tausende von Missionaren ausgebildet wurden, gegenüber dem Palazzo seines Rivalen Bernini, dem die Leitung der Baustelle nach dem Glockenturmprozess entzogen worden war. Zuvor hatte Francesco bereits für den Fürsten Carpegna einen der prächtigsten Palazzi der Stadt von Grund auf renoviert und außerdem inzwischen auch mit dem Bau der Sapienza begonnen, der neuen Universität.
Vor allem aber machten seine raschen Fortschritte beim Umbau der Lateranbasilika großen Eindruck auf den Papst. Francesco hatte mehrere Pläne für die Erneuerung von San Giovanni vorgelegt, in denen er, ausgehend von der geforderten Erhaltung der Bausubstanz, zu einer immer umfassenderen Neugestaltungdes Langhauses und der Seitenschiffe schritt, die der Heilige Vater nach reiflicher Überlegung schließlich akzeptierte. Innozenz war im Gegensatz zu seinem impulsiven Vorgänger ein sehr ernsthafter Mann, der sich in seinen Entschlüssen vor allem durch sachliche Erwägungen leiten ließ. Francesco mochte ihn, fühlte sich ihm seelenverwandt: Sie wussten beide, dass sie nur Werkzeuge Gottes waren, deren Aufgabe auf Erden darin bestand, die Pläne des Allmächtigen nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Als Innozenz ihn rief, gab Francesco deshalb sein wochenlanges Zögern auf und stand nicht länger an, im Palazzo Pamphili seine Aufwartung zu machen.
In dem alten Gemäuer hing immer noch der feine Modergeruch von Champignons. Während ein Diener ihn zum Empfangssaal führte, spürte Francesco, dass seine Hände feucht wurden. Wie oft war er mit bangem Herzen durch diese Flure gegangen, stets in der Hoffnung, ein bestimmtes Gesicht zu sehen, eine bestimmte Stimme zu hören. Eine Frage, die ihm wie keine zweite auf der Seele brannte, stieg in ihm auf. Durfte er sie dem Papst stellen?
»Kommst du in San Giovanni weiter gut voran, mein Sohn?«, fragte Innozenz, als Francesco ihm den Fuß küsste.
»Monsignore Spada ist zufrieden, ich selbst bin es nicht«, erwiderte Francesco, nachdem er sich erhoben hatte. »Vielleicht wollen Ewige Heiligkeit selbst den Ort in Augenschein nehmen, um sich vom Stand der Dinge zu überzeugen. Es wäre mir eine große Ehre.«
»Ich fürchte, dazu gebricht es uns an der nötigen Zeit«, antwortete Donna Olimpia an Innozenz’ Stelle. Sie saß in einem Sessel neben ihrem Schwager, auf gleicher Höhe mit seinem Thron, wie eine Königin an der Seite ihres Gemahls. »Es gibt wichtigere Dinge, die uns
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