Die Principessa
sich, und doch wäre Nero ohne sie niemals römischer Kaiser geworden.«
»Nun ja«, sagte sie mit einem geschmeichelten Lächeln, »es schmerzt mich wirklich zu sehen, dass ein Künstler, der solche Meisterwerke erschaffen hat wie Sie, unter einem vielleicht vorschnell getroffenen Urteil so sehr leidet. Es ist eine Schande für die ganze Stadt.« Sie machte eine Pause, um zu überlegen. »Ich will Ihnen nichts versprechen, aber es käme auf den Versuch an. Vielleicht, in einer günstigen Stunde, wenn der Heilige Vater ein offenes Ohr für mich hat …«
Sie ließ den Satz in der Schwebe. Clarissa sah aus den Augenwinkeln, wie Bernini versuchte, Donna Olimpias Lächeln zu erwidern, während aus seinen braunen Augen eine fürchterliche Not sprach. Was ging in ihm vor?
»Allerdings«, nahm Olimpia das Gespräch wieder auf, »um mich für Sie zu verwenden, müsste ich wissen, woran ich mit Ihnen bin, Cavaliere. Wie kann ich sicher sein, dass Sie solcher Hilfe würdig sind?«
Clarissa sah, wie er mit sich kämpfte. Während Olimpia ihm zunickte, sandte er Clarissa flehende Blicke zu, als könne sie ihn aus seiner Not befreien.
»Eine Geste, Cavaliere«, sagte Olimpia, »einen Beweis Ihrer Zuverlässigkeit. Es gibt Augenblicke, da nötigt das Leben uns Entscheidungen ab. Sie kennen doch das Wort der Offenbarung? ›Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber weder kalt bistnoch warm, sondern lau, werde ich dich ausspeien aus meinem Mund.‹ Übrigens«, fuhr sie unvermittelt fort, »was ist das für eine Pflanze, die Sie da mitgebracht haben? Eine Engelstrompete, nicht wahr? Ist das ein Geschenk für mich?«
Plötzlich begriff Clarissa, was das Geschenk zu bedeuten hatte. Was für eine einfühlsame Gabe … Im selben Augenblick verhärtete sich Berninis Gesicht. Er schien einen Entschluss zu fassen, und während er Clarissa den Rücken zudrehte, wie um ihren Blicken auszuweichen, zog er einen länglichen Gegenstand aus der Tasche seines brokatgewirkten Rocks. Clarissa hielt es nicht länger aus, der Raum schien ihr plötzlich für drei Personen zu klein zu sein. Sie legte ihre Stickerei beiseite und stand auf.
»Donna Olimpia«, hörte sie Bernini wie von ferne sagen, »leider besitze ich nichts, was einer Frau von Ihrer Schönheit und Klugheit würdig wäre. Doch würde ich mich glücklich preisen, sollten Sie die Güte haben, diese Kleinigkeit von Ihrem bescheidensten Diener entgegenzunehmen.«
Mit einem Strahlen nahm Olimpia das Etui, das Bernini ihr reichte, und klappte den Deckel auf. »Aber Cavaliere!«, rief sie, nachdem sie einen Blick auf den Inhalt geworfen hatte, und ihre Stimme überschlug sich fast. »Was für eine Überraschung! Das ist ja ganz wunderbar! Ich bin entzückt! Womit habe ich solche Wertschätzung verdient? Sieh nur«, sagte sie, vor Freude glucksend, und drehte sich zu Clarissa um, »was Signor Bernini mir geschenkt hat!« Sie hielt ihr die geöffnete Schatulle entgegen, auf deren Samtbett ein walnussgroßer Smaragd funkelte. »Ist das nicht der Ring, den du vor Jahren dem Cavaliere überreicht hast? Im Namen des englischen Königs?«
»Ich … ich weiß nicht«, sagte Clarissa, kaum fähig, die wenigen Worte auszusprechen, während sie ungläubig auf Bernini starrte, der ihr immer noch den Rücken zukehrte. »Mag sein – ich kann mich nicht erinnern.«
»Ach, ich sehe schon«, sagte Olimpia lachend, »solche Dinge langweilen dich nur. Du bist zu gut für diese Welt.«
»Ich habe Kopfschmerzen«, sagte Clarissa. Sie fühlte sich plötzlich nur noch müde und erschöpft wie nach einer übergroßen Anstrengung. »Wenn du erlaubst, würde ich mich gern zurückziehen.«
»Du Ärmste!«, erwiderte ihre Cousine und strich ihr über den Kopf. »Dann wollen wir dich nicht länger aufhalten. Ja, geh nur und ruh dich aus! Aber mach dir keine Sorgen! Es ist sicher nur der Karneval. Die vielen Reize zehren an den Kräften.«
Bernini drehte sich um, doch vermied er es auch jetzt, ihrem Blick zu begegnen. Wortlos nickten sie einander zu.
Nach einer Pause sagte Clarissa leise: »Vergessen Sie bitte nicht, Ihre Pflanze mitzunehmen, Signor Bernini. Ich … ich habe keine Verwendung dafür.«
Während sie zur Tür ging, hörte sie erneut Olimpias Stimme.
»Vielleicht habe ich eine Idee, Cavaliere, wie wir uns den Heiligen Vater geneigt machen können. Haben Sie schon mal daran gedacht, ein Modell für den Brunnen auf der Piazza zu entwerfen? Ich könnte mir sehr schön einen Obelisken in
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