Die Principessa
»Ich war gestern in Santa Maria della Vittoria, um Ihre Theresa zu bewundern. Auch wenn vielleicht der eine oder andere Kardinal die Stirn runzeln wird – was für ein herrliches Werk, Cavaliere! Sie haben uns wahrlich schon oft mit Ihren Einfällen verblüfft, aber ich muss sagen, diesmal haben Sie sich selbst übertroffen. Mein Erstaunen kannte keine Grenzen.«
»Das Lob gebührt nicht mir«, erwiderte Bernini zögerlich. »Das Motiv machte mir die Arbeit leicht. Ich brauchte mich ja nur von den Schriften der Heiligen inspirieren zu lassen. Ich nehme an, Sie kennen den ›Weg zur Vollkommenheit‹?«
»Ich bin nicht ganz sicher – mag sein, dass ich das Buch schon mal in der Hand hatte. Trotzdem, ich bewundere Ihren Einfallsreichtum. Woher nehmen Sie nur immer wieder diese Ideen?« Bevor er antworten konnte, wandte sie sich an Clarissa. »Zu schade, dass du mich nicht begleiten wolltest. Du weißt ja nicht, was du versäumt hast. Aber was ist mit dir? Du bist ja ganz blass! Hast du dir schon wieder in den Finger gestochen?«
»Nein, nein, es ist nichts.«
Clarissa beugte sich über ihre Stickerei, um ihre Verwirrung zu verbergen. Hatte sie eben noch die vage Hoffnung verspürt, dass sie sich irrte, bestand jetzt kein Zweifel mehr: Bernini hatte wahrhaftig ihr Bildnis missbraucht, um seinen Ruhm zu erneuern. Mit jedem Wort, das die beiden wechselten, wuchs Clarissas Angst, dass Olimpia aussprechen könne, was sie offenbar wusste. Und tatsächlich, genau in diesem Moment, sagte ihre Cousine: »Darf ich fragen, Cavaliere, wer Ihnen Modell gesessen hat?« Unwillkürlich hob Clarissa den Kopf. Olimpia schaute sie unverwandt an, mit strengen, prüfenden Blicken. »Es muss eine sehr kühne Frau gewesen sein.«
»Ich … ich dachte, das wüssten Sie«, erwiderte Bernini verlegen, während er Hilfe suchend zu Clarissa sah. Als ihre Blicke sich begegneten, spürte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss, undsie senkte den Kopf. »Tut mir Leid, Eccellenza«, sagte er. »Meine Pflicht als Künstler gebietet mir, Stillschweigen in solchen Dingen zu wahren.«
»Nun ja«, sagte Olimpia, »ich war nur neugierig. Aber Sie haben ganz Recht, in Wahrheit lenken solche Fragen nur vom Wesentlichen ab. Nicht das lebende Vorbild zählt, worauf es ankommt, ist allein das Kunstwerk selbst – und wie großartig ist Ihnen das gelungen! Doch worüber ich heute eigentlich mit Ihnen reden wollte, ist etwas anderes.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein, Ihnen zuzuhören«, erklärte Bernini sichtlich erleichtert über den Themenwechsel.
»Da bin ich nicht ganz so sicher, Cavaliere.« Olimpia lachte. »Es heißt, Sie stehen vor dem Ruin? Ja, mir ist sogar zu Ohren gekommen, dass man Sie aus Ihrem Palazzo vertreiben will?«
»Nur ein Gerücht, das Signor Borromini verbreiten lässt. Er behauptet, mein Haus behindere den Ausbau der Propaganda Fide, und er versucht mit allen Mitteln auf einen Abriss hinzuwirken. Aber ich glaube nicht, dass ich mir darüber wirklich Sorgen machen muss.«
»Gewiss nicht – wenn man so viele andere, größere Sorgen hat wie Sie in diesen Zeiten. Nein«, sagte sie mit einem Kopfschütteln, »die leidige Glockenturmgeschichte hat Ihnen wirklich geschadet. Wollen sich denn gar keine Auftraggeber mehr finden? Ich kann und will das nicht glauben. Immerhin galten Sie zu Urbans Zeiten als der erste Künstler Roms.«
»Wie Sie vielleicht wissen, hat Papst Innozenz mir leider seine Gunst entzogen. Doch will ich darum nicht mit dem Schicksal hadern. Die Zeit wird die Wahrheit enthüllen, irgendwann.«
»Ja, die Zeit. Nur – können wir auf sie bauen? Sie lässt mit der Wahrheit oft allzu lange auf sich warten. Vergessen wir nicht: Die Welt ist ungerecht, sie sieht nur den äußeren Schein.«
»Ich werde dennoch unverdrossen meine Arbeit tun.«
»Das ist brav, Cavaliere. Ach, wenn ich nur wüsste, wer Ihnen helfen könnte!«
Mit einer Miene, aus der ihr ganzes Mitgefühl sprach, sah sie ihn an.
Bernini zögerte einen Moment. Dann fragte er, vorsichtig und tastend, als fürchte er, etwas Falsches zu sagen: »Vielleicht, Eccellenza, wenn ich mich erdreisten darf, dergleichen zu äußern, aber ich könnte mir denken, wenn Sie ein Wort für mich bei Seiner Heiligkeit einlegen würden?«
»Ich, Cavaliere?«, fragte sie zurück, vollkommen überrascht. »Wo denken Sie hin! Ich fürchte, Sie überschätzen meinen Einfluss – ich bin nur ein armes, unbedeutendes Weib.«
»Das behauptete Agrippina einst auch von
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