Die Principessa
heranbringen. Alexander legte größten Wert auf gute Sichtverbindung zwischen Palast und Platz. Einen früheren Entwurf hatte er abgelehnt, weil hier die Pilger, die sich zu den öffentlichen Audienzen auf der Piazza versammelten, zu weit von dem Fenster entfernt gewesen wären, von dem aus der Papst die Menge segnete.
Lorenzo dachte nach. Was war die Bedeutung des Platzes? Alexander hatte sie ihm in einem Satz erklärt: Von hier aus würde künftig der Stellvertreter Gottes den Glauben verkünden,
urbi et orbi
. Größe war darum das alles entscheidende Kriterium: Größe in den einzelnen Baukörpern, Größe in den Proportionen. Lorenzo legte den Entwurf so an, dass alles auf die Fassade des Domes als die beherrschende Dominante hinführte, einfache Formen, die nur durch ihre Steigerung ins Gigantische ihre Wirkung erlangten. Dabei hielt er an seiner Vision einer riesigen menschlichen Gestalt weiter fest: mit der Basilika als Haupt, den Stufen als Hals und Schultern und den Fortsetzungen des Portikus als umfassende Arme. Doch wie sollte er die Arkaden gestalten? Nach welcher Idee sie anordnen und gliedern? In dieser Frage tappte Lorenzo noch völlig im Dunkeln.
Ein Räuspern schreckte ihn auf. Er hob den Kopf und sah vor sich Domenico, seinen Erstgeborenen, ein junger, hübscher Mann, der die Veranlagung zu einem tüchtigen Bildhauer hatte.
»Ja, was gibt es?«
»Sie haben Besuch, Vater. Man erwartet Sie in Ihrem Studio.«
»Ich habe keine Zeit«, brummte Lorenzo und beugte sich wieder über seine Arbeit. »Wer ist es denn?«
Als Domenico ihm den Namen nannte, zuckte Lorenzo zusammen.
»Hast du gesagt, dass ich da bin?«
»Natürlich! Hätte ich das nicht tun sollen?«
»Dummkopf!«
Verärgert warf Lorenzo seinen Rötelstift auf den Tisch und stand auf. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als sich ins Unabänderliche zu fügen.
»Eccellenza!«, rief er, als er wenig später sein Studio betrat.
»Was verschafft mir die Ehre?«
Donna Olimpia stand mit dem Rücken zu ihm am Fenster und schaute auf die Straße. Als sie ihn hörte, drehte sie sich um und sagte: »Wir kennen uns lange genug, Cavaliere, um uns unnötige Umschweife zu ersparen. Papst Alexander will sich den Beifall des Volkes erkaufen. Zu diesem Zweck trachtet er danach, die Familie Pamphili zu ruinieren. Ich werde deshalb Rom verlassen. Doch nicht, ohne vorher eine Frage an Sie zu richten.«
»Bitte sehr, nur zu«, erwiderte Lorenzo unsicher. »Was kann ich für Sie tun?«
Donna Olimpia schaute ihm fest in die Augen. »Die Frage lautet ganz einfach: Wollen Sie mich begleiten?«
»Ich? Sie begleiten? Wohin?«
»Nach Paris, nach London – wohin Sie wollen!«
»Verzeihung, Eccellenza«, stotterte er, »soll das heißen, Sie schlagen mir vor, Rom zu verlassen? Das … das kann nicht Ihr Ernst sein! Warum sollte ich das tun?«
»Weil ich reich bin, Cavaliere«, erwiderte sie vollkommen ruhig, »sehr reich sogar. Ich besitze zwei Millionen Scudi. Das Geld ist bereits außer Landes.«
»Zwei Millionen? Aber das ist ja mehr als … als …« Die Summe war so ungeheuerlich, dass ihm auf die Schnelle kein passender Vergleich einfiel.
»Mehr als das gesamte Jahreseinkommen des Vatikanstaats«, führte sie seinen Satz zu Ende. »Noch nie hat ein einzelner Mensch in Rom ein solches Vermögen besessen – und Sie, Cavaliere, können darüber verfügen.« Sie trat zu ihm und nahm seineHände. »Kommen Sie mit mir, als mein Mann, und ich lege Ihnen meinen Reichtum zu Füßen.«
Lorenzo war so verwirrt, dass er in seiner Not Zuflucht zur Bibel nahm. »›Wer Geld lieb hat‹«, stammelte er, »›der bleibt nicht ohne Sünde.‹«
Donna Olimpia lachte laut auf. »Das glauben Sie doch selber nicht, Cavaliere! So, wie Sie leben?« Sie deutete mit dem Kopf in die Runde. »Überall Silber und Gold, Kristallspiegel an den Wänden, Teppiche aus China und Persien!« Dann wurde sie wieder ernst. »Nein, Sie wissen den Wert des Geldes so gut zu schätzen wie ich. Geld ist Macht, Geld ist Glück, Geld ist der Gott dieser Welt! Zwei Millionen Scudi! Damit können Sie Bauwerke errichten, wie die Menschheit noch keine gesehen hat.«
»Ich … ich leite die größte Baustelle der Welt!«
»Sie meinen den Petersplatz? Wollen Sie sich damit begnügen? Ein leerer Platz und ein paar Säulen drum herum? Sie – der größte Architekt aller Zeiten? Mit zwei Millionen Scudi können Sie ganze Städte bauen! Wenn Sie wollen, gehen wir nach Neapel. Da sind Sie doch
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