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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Dreikönigskapelle noch einmal überdenken. Ich bin sicher, das würde den Heiligen Vater milde stimmen.«
    »Ist das der Preis, damit ich im Lateran freie Hand habe? Wenn ich die Kapelle abreißen muss, ist das Berninis Schuld, nicht meine.«
    »Haben Sie nicht einmal gesagt, Sie würden mit allen Mitteln versuchen, den Sohn eines Feindes zu retten – gleichgültig, welches Unrecht dieser Feind Ihnen zugefügt hat?«
    Francesco schüttelte den Kopf. »Die Kapelle wird abgerissen. Und wenn ich in San Giovanni mein Amt niederlegen muss!«
    Die Messdiener wiederholten dreimal das Schellengeläut: Die Wandlung war vollzogen. Die tausendköpfige Gemeinde erhob sich von den Knien. Gebeugten Hauptes schritt Kristina zum Altar, um aus Alexanders Hand den Leib des Herrn zu empfangen, zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie trug eine Kleidung, die weder ihrem Rang noch der Bedeutung dieses Tages entsprach: einen einfachen, schmucklosen, bis an die Knie reichenden Atlaskaftan.
    »Ich bewundere diese Frau«, sagte Francesco leise, »sie hat den Mut, allein der Stimme ihres Gewissens zu folgen.«
    »Ja, eine ungewöhnliche Frau, die Gott uns gesandt hat.« Spada machte eine Pause und schaute ihn an. »Übrigens, es ist noch eine ungewöhnliche Frau in der Stadt, eine Frau, die Sie kennen: Lady McKinney.«
    »Die Principessa?«, entfuhr es Francesco so laut, dass ein paar Köpfe vor ihm sich umdrehten.
    »Psssst!«, machte Spada. »Hier, das hat sie mir für Sie gegeben.« Er reichte ihm einen Brief, und während die Gläubigen vor ihnen die Bänke verließen, um zur Kommunion zu gehen, las Francesco die Zeilen, mit denen die Principessa so unverhofft nach so vielen Jahren wieder in sein Leben trat. Aus jedem Wort, das sie an ihn richtete, hörte er ihre Stimme, sprach ihre Zuneigung,ihr Herz. Er schloss die Augen und sah ihr Gesicht vor sich, ihr Lächeln, ihren warmen, zärtlichen Blick, und er fühlte sich mit solcher Macht zu ihr hingezogen, dass er sich am liebsten sofort auf den Weg gemacht hätte.
    »Hoc est corpus!«
    »Amen!«
    Als Francesco die Augen aufschlug, sah er, wie Lorenzo Bernini sich über die Hand von Königin Kristina beugte, neben dem Altar, als wäre er nicht in einem Gotteshaus, sondern in einem Palast, und plötzlich durchzuckte ihn ein gemeiner, böser Gedanke: Sicher hatte die Principessa auch Bernini einen solchen Brief geschrieben, vielleicht sogar denselben wie ihm!
    »Ich kann die Einladung nicht annehmen«, erklärte er. »Unmöglich! Ich halte es mit diesem Mann in einem Raum nicht aus!«
    »›Du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem Herzen‹«, erwiderte Spada. »Drittes Buch Moses. Aber warum reden Sie immerzu von
ihm
? Die Principessa hat
Sie
eingeladen – Signor Francesco Borromini, Cavaliere di Gesù!« Er zeigte auf die Anschrift des Kuverts. »Da steht es geschrieben, so klar und deutlich wie im Buch Jesaja: ›Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!‹« Er legte seine Hand auf Francescos Arm. »Vergessen Sie nicht – sie hat Ihnen das Leben gerettet!«

9
    Lorenzo Bernini war so aufgeregt wie vor seiner ersten Audienz bei Papst Urban VIII. Heute würde er die Principessa wiedersehen – zum ersten Mal seit fünf Jahren. Virgilio Spada hatte ihm die fürchterliche Geschichte ihrer Klosterverbannung erzählt, und ihr Schicksal war ihm so zu Herzen gegangen, dass er einen Tag im Bett hatte verbringen müssen. Wie sie wohl aussehen würde?
    Seit dem frühen Morgen war er mit seiner Toilette beschäftigt. Über zwei Dutzend Hemden, Hosen und Röcke hatte er ausprobiert, ohne sich entscheiden zu können. Und erst das Schuhwerk! Sollte er Stiefel oder Samtpantoffeln tragen? Während er sich vor dem Spiegel das Haar mit Öl glättete, überlegte er, was er ihr mitbringen wollte: eine Engelstrompete oder einen Obstkorb? Vorsichtshalber hatte er seinen Diener Rustico beauftragt, beides zu besorgen.
    Lorenzo hatte nur unklare Vorstellungen, was ihn in ihrem Haus erwartete. Die Principessa hatte geschrieben, sie wolle eine Gemeinschaft gründen, zu der jeder, gleich welchen Standes, Zutritt habe, sofern er irgendwelche geistige Werte auf die Waagschale zu legen hatte, einerlei, ob diese künstlerischer, wissenschaftlicher oder philosophischer Art seien.
Paradiso
nannte sie diesen Kreis.
    »Ein Ort der Bildung und der Kultur!«, hatte Virgilio Spada begeistert gesagt. »Das hat es seit Isabella d’Este nicht mehr gegeben!«
    Was sie mit
Paradiso
wohl meinte? Lorenzo beschloss,

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