Die Principessa
geboren, nicht wahr?«
»Ja, sicher, aber soviel ich weiß, grassiert dort die Pest. Außerdem, ich habe eine Familie …«
»Wenn Sie schon die Bibel zitieren, vergessen Sie nicht die Worte des Herrn: ›So jemand zu mir kommt und hasset nicht Vater, Mutter, Weib, Kinder, der kann nicht mein Jünger sein.‹« Sie strich mit der Hand über seine Wange. »Zwei Millionen Scudi! Damit verwandeln Sie Neapel in die herrlichste Metropole der Welt. Sie können ein zweites Atlantis erschaffen, allein nach Ihrem Willen! Noch in tausend Jahren wird man von Ihnen sprechen: Bernini, der Demiurg, der Weltbaumeister der neuen Zeit!«
Sie war seinem Gesicht so nah, dass ihre Lippen seine Wangen berührten. Als hätte sie ihm seinen Willen genommen, ließ er es geschehen, ohnmächtig, sich zu wehren.
»Du und ich«, flüsterte sie, »wir sind vom gleichen Stamm. Wir lieben aneinander das, was wir in uns selber fühlen: Größe,Stärke, Kraft. Wir sind füreinander bestimmt! An nichts Kleines wollen wir unser Leben verschwenden!«
Plötzlich spürte er, wie sein Geschlecht erwachte. Zwei Millionen Scudi! Ja, sie war immer noch eine schöne Frau: das Verlangen in ihrer Stimme, die Verheißungen ihrer Lippen, der wogende Busen – eine unvergleichliche Mischung von Liebreiz und Würde. Er spürte die Glut, die in diesem üppigen Körper schwelte. Sie presste sich an ihn, rieb ihren Leib an seinem Leib. Und er war da, um diese Glut zu entfachen, das Feuer zum Lodern zu bringen. Er schloss die Augen und küsste sie.
»Cavaliere, ein Brief! Er wurde gerade für Sie abgegeben.«
Lorenzo fuhr herum. In der Tür stand sein Diener Rustico, der ihm mit schiefem Grinsen ein Kuvert reichte.
»Raus hier! Was störst du?«, herrschte Donna Olimpia ihn an, und zu Lorenzo sagte sie: »Lassen Sie das jetzt, wir müssen uns beeilen!«
Doch Lorenzo hatte das Kuvert schon aufgerissen – er hatte die Handschrift auf den ersten Blick erkannt. Der Brief bestand nur aus wenigen Zeilen. Nachdem er sie überflogen hatte, zitterte er so sehr, dass er das Blatt Papier mit beiden Händen halten musste. Leise zog der Diener die Tür hinter sich zu.
»Was ist?«, fragte Donna Olimpia. »Schlechte Nachrichten?«
Lorenzo schaute sie an. Ja, sie hatte Recht: Er liebte an anderen Menschen immer nur das, was er an sich selber liebte. Doch umgekehrt galt genauso: Was er an sich selber hasste, das hasste er tausendfach, wenn er es an einem anderen Menschen entdeckte. Olimpia selbst hatte ihm die Augen für diese Wahrheit geöffnet.
»Verlassen Sie mein Haus!«, sagte er, während seine Stimme vor Erregung bebte. »Sofort! Auf der Stelle!«
»Was sagst du da? Machst du Scherze?« Sie versuchte zu lachen.
»Ist das ein Spiel? Eine Szene aus einer von deinen Komödien?«
»Raus«, wiederholte Lorenzo so kalt und beherrscht, wie er nur konnte. »Oder ich rufe meine Leute und lasse Sie auf die Straße werfen!«
»Wie, du meinst es ernst?« Donna Olimpia wurde blass. »Aber warum? Was ist in dich gefahren?«
»Sie widern mich an! Dreck sind Sie, Unrat, der Auswurf dieser Stadt!«
»Das wagst du, mir zu sagen!«, kreischte sie. »Mir ins Gesicht? Du elender Komödiant!« Ihre Stimme überschlug sich, ihr Gesicht war von Wut verzerrt. Doch plötzlich wurde ihre Stimme ganz leise, und ihre Augen verengten sich zu zwei Schlitzen, aus denen sie Blicke wie Pfeile auf ihn schleuderte. »Das hätten Sie nicht tun sollen, Cavaliere. Ich habe immer noch die Macht, Sie zu vernichten. Und glauben Sie mir, ich werde es tun.«
»Sie – mich vernichten?« Lorenzo hielt den Brief in die Luft.
»Lady McKinney hat mir geschrieben. Ihre Cousine ist gar nicht in England, wie Sie überall erzählt haben – sie ist in Rom! Sie hat mich zu sich eingeladen.«
»Clarissa … ist frei?«
Donna Olimpia sprach jetzt so leise, dass Lorenzo sie kaum verstand. Aber er sah ihr Gesicht und es graute ihn, als er es sah. Jeglicher Liebreiz, jegliche Würde war daraus verschwunden. Übrig geblieben war nur noch eine aufgedunsene, weißliche Fratze, aus der das blanke Entsetzen sprach, während graue Ringellocken links und rechts von diesem Zerrbild auf und ab tanzten wie bei einem jungen Mädchen, als wollten sie die Greisin verspotten, die aus dem Mädchen geworden war.
Dieser Anblick dauerte nur ein paar Sekunden. Dann hatte Donna Olimpia sich wieder gefasst. Sie ordnete ihre Kleider und so ruhig, als hätten sie irgendein Geschäft besprochen, sagte sie:
»Sie wollen also nicht auf
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