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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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sie als Gutachter in einen Ausschuss berufen hatte, der Bauschäden an einer Jesuitenkirche untersuchen sollte. Beide hätten aber die Sitzungen nur dazu missbraucht, einander zu beschimpfen und zu verhöhnen.
    »Wie Kain und Abel. Zwei Brüder, die nicht ertragen, dass sie zusammengehören.«
    Während Clarissa ihm zuhörte, betrachtete sie die trügerische Kolonnade mit jener Kriegerstatue, die vom Eingang aus so großwirkte, obwohl sie in Wirklichkeit kaum größer als ein Knabe war. Nichts war so, wie es schien, und nichts schien so, wie es war … Zweifel beschlichen Clarissa. Erlag sie gerade vielleicht einer ähnlichen Illusion? War England überhaupt noch ihre Heimat? Oder war sie nicht längst hier in Rom zu Hause? Eine Bemerkung fiel ihr ein, die Spada zu Beginn ihres Gespräches gemacht hatte: »Wie anders sollen all die armen Frauen den Platz im Leben finden, den Er für sie vorgesehen hat?« Galt diese Bemerkung nicht auch für sie? Welchen Platz hatte Gott für sie vorgesehen? Was war ihre Aufgabe im Leben? Plötzlich erschien ihr die geplante Abreise wie eine Flucht – als wolle sie sich einer Verantwortung entziehen, die sie doch vor Jahren schon übernommen hatte, frei und aus eigenen Stücken.
    »Verzeihen Sie, Monsignore, wissen Sie vielleicht, ob Briefe aus England für mich in der Botschaft warten? Von meiner Familie oder von sonstigen Angehörigen?«
    »Wie bitte?« Irritiert hielt Spada in seiner Rede inne. »Briefe? Nein, davon ist mir nichts bekannt, bestimmt nicht, der Botschafter hätte es mir ganz sicher gesagt. Aber gut, dass Sie mich unterbrechen«, fügte er mit einem schuldbewussten Lächeln hinzu, »ich habe mich so in Rage geredet, dass ich darüber ganz vergaß, was wir eigentlich wollten. Kommen Sie, machen wir uns auf den Weg, bevor es Mittag wird und Ihr Bankier zu Tisch sitzt!«
    Clarissa schüttelte den Kopf. »Nein, Monsignore, ich glaube, das hat keine Eile.« Sie griff nach seinem Arm und forderte ihn auf, sich wieder zu setzen. »Lieber würde ich noch ein wenig mit Ihnen reden. Ich habe eine Idee und würde gerne dazu Ihre Meinung hören. Es könnte sein, dass ich noch einmal Ihre Hilfe brauche.«
    »Ich fürchte«, erwiderte er und nahm an ihrer Seite Platz, »jetzt bin ich derjenige, der nicht recht versteht.«
    »Müssen wir immer verstehen, um zu handeln?«, fragte sie ihn.
    »Ist es manchmal nicht besser, dem Fingerzeig Gottes zu folgenstatt dem eigenen Verstand? Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie selbst mir das einmal vor Jahren geraten.«
    »Credo quia absurdum.«
Spada nickte. »Ich glaube, weil es unbegreifbar ist.«

7
    Im Palazzo Bernini summte es wie in einem Bienenhaus. Dutzende von Steinmetzen, Bildhauern und Zeichnern, darunter auch die ältesten Söhne des Hausherrn, waren bei der Arbeit, und andere Handwerker, die auf den zahllosen Baustellen des Cavaliere in der Stadt beschäftigt waren, gingen in so rascher Folge ein und aus, dass es alle paar Minuten an der Pforte klopfte. Denn seit Lorenzo Bernini wieder die Gunst des Vatikans genoss, vor allem aber seit Fabio Chigi auf dem Heiligen Stuhl saß, wurde er mit einer kaum zu bewältigenden Flut von Aufträgen überhäuft, mehr noch als zu Urbans Zeiten, sodass sich sein Atelier inzwischen in eine richtige
fabbrica
verwandelt hatte, die fast so groß war wie die Bauhütte des Petersdoms.
    Ein wenig abseits von dem lärmenden Treiben saß Lorenzo an einem mächtigen marmornen Arbeitstisch und brütete über den Plänen für den größten und bedeutendsten Auftrag, den er je erhalten hatte: die Piazza von Sankt Peter. Die Zeit drängte. Jeden Abend musste er im Vatikan erscheinen, um Seiner Heiligkeit vom Stand der Dinge zu berichten. Papst Alexander zu erobern war ein Kinderspiel gewesen, die Eingebung eines Augenblicks hatte dazu genügt. Jetzt galt es, einen tauglichen Entwurf auszuarbeiten.
    Lorenzo war nicht der erste Architekt, der sich an dieses Projekt wagte. Kein Geringerer als Michelangelo war ihm darin vorausgegangen. Lorenzo kannte und bewunderte dessen Plan; trotzdem war er fest entschlossen, seinem eigenen Gespür zuvertrauen. Hier bot sich ihm die Gelegenheit, den Mann, der immer noch als größter Baumeister aller Zeiten galt, im direkten Vergleich zu übertrumpfen.
    Abweichend von Michelangelos Entwurf entschied Lorenzo sich für einen ovalen Grundriss. So konnte er die Arkaden, mit denen er die Piazza als heiligen Ort nach außen hin abgrenzen wollte, näher an den apostolischen Palast

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