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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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wurde?«
    Verwundert blickte man sich an, doch nach der ersten Überraschung überboten die Gäste sich mit ihren Vorschlägen. »Jeder soll die Tugenden nennen, mit denen er seine Angebetete geschmückt sehen möchte!«
    »Ich würde lieber hören, warum alle Frauen die Männer hassen, die Schlangen aber lieben.«
    »Da ich schon einmal närrisch bin, soll jeder anführen, worin sich meine Narrheit zeigt!«
    Mit Lachen wurde der letzte Vorschlag quittiert. Er stammte von einem Senator, der für seine Leibesfülle nicht weniger bekannt war als für sein vergebliches Werben um Cecca Buffona, der ersten Kurtisane der Stadt.
    Lorenzo schaute sich um. Auch die meisten anderen Gäste, die sich zwischen all den Globen und Skulpturen, Musikinstrumenten und Teleskopen vor den Bücherwänden verteilten, waren ihm vertraut: Dichter und Maler, Musiker und Philosophen, Theologen und Gelehrte der Sapienza. Nur das Mauleselgesicht konnte er nirgends entdecken – Gott sei Dank!
    »Ich würde gerne erfahren, was schimpflicher ist«, rief Lord Hilburry, der junge englische Gesandte, »jemanden zu betrügen oder sich betrügen zu lassen?«
    Mit welcher Anmut und Sicherheit die Principessa die Vorschläge entgegennahm – eine perfekte
gentildonna!
Lorenzo konnte die Augen nicht von ihr lassen. Die ernste Reife, die nun von ihr ausging, schlug ihn in den Bann: Dies war vielleicht die letzte Blüte, die ihre Schönheit trieb, äußerste Vervollkommnung ihrer Weiblichkeit. Warum hatte sie ihn zu sich geladen? Weil sie sich nach ihm sehnte?
    Plötzlich hielt es ihn nicht mehr auf seinem Platz, er sprang auf und rief: »Ich würde gern eine andere Frage erörtern!«
    »Nun, Cavaliere?«
    Lorenzo sah sie fest an. »Was ist besser: ein großes Glück zu verdienen oder es zu besitzen?«
    »Was für eine interessante Frage, Signor Bernini. Ich glaube, sie ist unser aller Überlegung wert.«
    Während die Principessa sprach, näherten sich von draußen Schritte. Ihr Gesicht füllte sich mit freudiger Erwartung.
    »Bitte«, sagte sie über die Schulter zu Lorenzo, während sie zur Tür eilte, »wenn er Ihnen die Hand reicht – schlagen Sie sie nicht aus!«
    Ohne dass sie einen Namen nannte, wusste er, wer im nächsten Augenblick den Raum betreten würde. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Dazu hatte sie ihn eingeladen! Hier, vor ihrenAugen, sollten sie sich versöhnen! Er kam sich plötzlich vor wie ein Idiot.
    Die Tür ging auf, und herein trat Virgilio Spada.
    »Monsignore!« Der Ausdruck freudiger Erregung im Gesicht der Principessa wich dem Ausdruck plötzlicher Enttäuschung. »Sie … allein? Wo ist Signor Borromini?«
    »Tut mir Leid, Lady McKinney, ich habe getan, was ich konnte. Doch wie heißt es bei dem größten Dichter Ihres Landes?
Love’s labour’s lost!«

10
    Der Friede eines milden Sommerabends lag über dem Tal, durch das sich der Arnione in zallosen Windungen schlängelte, während die Sonne über dem mächtigen Monte Cimino allmählich unterging und den Ort Viterbo in immer längere und tiefere Schatten tauchte. Das Haus der Familie Maidalchini lag einen Steinwurf außerhalb der alten Stadtmauern am Rande des Waldes auf einem luftigen Bergvorsprung über dem Tal, höher noch als der Glockenturm der Gemeindekirche, deren Krypta den schwarzen Leichnam der heiligen Rosa beherbergte.
    Donna Olimpia wandelte im Garten ihrer Kindheit. Nichts hatte dieser schlichte Nutzgarten gemein mit den prachtvollen Ziergärten des Vatikans und noch weniger mit dem in vielen Jahrhunderten gewachsenen und kultivierten Park, der auf dem Quirinalshügel den Sommersitz des Papstes umgab. Ein Dutzend Gemüsebeete, ein paar wenige Blumen und Grünpflanzen entlang der Kieswege zwischen den Bäumen: der bescheidene Garten bescheidener Menschen. Trotzdem liebte Donna Olimpia dieses Fleckchen Erde, denn hier war sie aufgewachsen, hier hatte sie die ersten Schritte ins Leben getan.
    Was für ein weiter und mühsamer Weg war es von hier bis zuden schwindelerregenden Höhen gewesen, die sie im Laufe der Jahre und Jahrzehnte erklommen hatte! Während der Kies unter ihren Schritten knirschte, hörte sie noch immer das Lachen ihrer Gespielinnen von damals, wenn sie, die Ehrgeizigste von allen, beim Wettlauf oder beim Fangen verlor. Nichts war ihr in die Wiege gelegt worden, nichts hatte darauf hingedeutet, dass sie einst die mächtigste Frau Roms werden würde. Im Gegenteil: Man hatte sie ins Kloster stecken wollen wie alle Mädchen aus armem Hause,

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