Die Principessa
deren Familien sich keine Mitgift leisten konnten. Aber sie hatte sich gewehrt – es konnte nicht Gottes Wille sein, dass sie sich hinter dicken Mauern verzehrte! Und als ihr Beichtvater im Auftrag ihrer Eltern wieder und wieder in sie drang, den Schleier zu nehmen, hatte der Heilige Geist ihr eingegeben, ihn des Angriffs auf ihre Unschuld zu bezichtigen, worauf er zum Verlust all seiner Würden verurteilt wurde und sie dem Kloster entkam. Damals hatte sie gelernt, sich mit Gottes Hilfe in der bösen Welt zu behaupten und deren Anfeindungen zu erwehren – ein für alle Mal.
War ihre Ehe mit Principe Pamphili ein Fehler gewesen? Eine gemeinsam in einer Herberge zugebrachte Nacht auf einer Pilgerfahrt nach Loreto hatte sie zusammengeführt, und unter tausend Küssen hatte er ihr ewige Treue geschworen. Er war ein dummer, eitler Mensch gewesen und sie hatte ihn nie geliebt. Aber durch ihn hatte sie seinen Bruder kennen gelernt, in dem ihr zum ersten Mal ein Mensch begegnet war, der nach denselben Dingen strebte wie sie. Was für ein Glück, dass sie sein Flehen erhört hatte, ohne sich von seiner Hässlichkeit beirren zu lassen! Zwar war er unfähig gewesen, ohne sie einen Schritt vor den anderen zu setzen, und er hatte sich an ihren Ratschlägen entlanggehangelt wie ein fußkranker Greis an einem Geländer, sodass sie nach seiner Wahl zum Papst beim ersten Pantoffelkuss laut hatte auflachen müssen über dieses Zeichen der Unterwerfung, während er vor Freude und Rührung weinte – doch hatte er sich ihrer Wahl letztlich als würdig erwiesen. Dennzusammen hatten sie erreicht, was die Vorsehung ihr zu erlangen aufgetragen hatte: Größe, Reichtum und Macht.
Donna Olimpia blieb stehen und blickte ins Tal, wo die Schatten wie gefräßige Ungeheuer die letzten Sonnenstrahlen verschluckten. Was sie besaß und war, hatte sie der Vorsehung und ihrer eigenen Tüchtigkeit zu verdanken. Das alles sollte sie jetzt verlieren? Nur weil ihr Geheimnis entdeckt war und man sie beim Papst denunzieren konnte? Das konnte unmöglich Gottes Wille sein! Ein solches Schicksal zu verhindern war sie nicht nur sich selber schuldig, sondern auch der Zukunft der Familie Pamphili. Deren Fortbestand stand auf dem Spiel, zusammen mit der Zukunft ihres Sohnes.
Mit einem Seufzer nahm sie die Wanderung durch den Garten wieder auf. Nein, sie würde sich ihr Lebenswerk nicht zerstören lassen. Man hatte sie verbannt, doch am Ende war sie nicht. Zum Glück hatte Bernini sich verraten. Dieser eitle Pfau! Er ahnte ja nicht, was er mit seiner großmäuligen Drohung angerichtet hatte. Umso mehr würde er sich noch wundern – bis an sein Lebensende! Olimpia wusste, was sie tun musste, um ihn zu strafen, ihn und seine Hure, die Natter, die sie so viele Jahre an ihrem Busen genährt hatte.
»Da bist du ja endlich!«
Vom Haus her kam Don Angelo auf sie zu, den Kopf von der braunen Kapuze umhüllt, die Hände in den weiten Ärmeln seiner Kutte verborgen. Ihm – nicht ihrem Sohn – wollte sie die Ausführung ihres Planes anvertrauen. Camillo hoffte darauf, dass die aus dem Süden eingeschleppte Pest ihnen zu Hilfe kam, ihre Richter sich, milde gestimmt durch die drohende Gefahr, für das alte Zaubermittel empfänglich zeigten, dank dem bereits Simon an die Stelle des Petrus trat, und sich einen für die Familie Pamphili vorteilhaften Vergleich abkaufen ließen. Doch Olimpia kannte das Leben und vor allem die Menschen zu gut, um ihr Haus auf dem unsicheren Grund bloßer Hoffnungen zu bauen.
»Sie haben mich gerufen, Eccellenza? Hier bin ich.«
Mit vorgestrecktem Kopf und verdrehtem Hals schielte Abt DonAngelo zu ihr hinauf, sich unter der Achsel kratzend. Was für eine ekelhafte Kreatur! In seiner Kutte hausten tausend Flöhe, allein ihm die Hand zu geben war ihr zuwider. Aber er war bestechlich und darum ein nützliches Werkzeug, das Gott ihr geschickt hatte.
»Du sollst für mich nach Rom gehen«, erwiderte sie, nachdem sie ihn mit einem Kopfnicken begrüßt hatte. »Du musst dort etwas für mich besorgen.«
»Nach Rom?«, fragte er. »Wollen Sie mich umbringen? In der Stadt wütet die Pest, sie hat schon die ersten Opfer gefordert, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Senat die Tore schließen lässt.«
»Wie viel verlangst du, damit du dich dennoch überwindest?«
»Mag sein, Donna Olimpia, dass Sie die reichste Frau
urbi et orbi
sind. Doch kann ein Vermögen groß genug sein, um ein Menschenleben aufzuwiegen?«
»Hast du die Worte des
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