Die Principessa
sich nicht den Kopf darüber zu zerbrechen. Hauptsache, er würde der Principessa gefallen – das war ihm Paradies genug. Dass sie den Mut hatte, ein solches Unternehmen zu wagen … In der römischen Gesellschaft, in der greise Kirchenfürsten den Ton angaben, hatte mit Ausnahme Donna Olimpias und einiger Kurtisanen kaum eine Frau es je gewagt, so in Erscheinung zu treten. Innozenz hatte ja sogar das Tragen von Dekolletees verboten und die Hemden der Römerinnen zu diesem traurigen Zweck bei den Wäscherinnen konfiszieren lassen. Ob das Beispiel der schwedischen Königin die Principessa ermutigte?
Lorenzo wechselte noch einmal die Kleider. Er hatte sich nun für einen betont schlichten Anzug entschieden: einen grünen Samtrock mit weißen Aufschlägen und eine gelbe Seidenhose, dazu braune Hirschlederstiefel mit Spitzengamaschen. Rasch puderte er sein Gesicht und trug das nötige Rouge auf, rieb sich ein paar Tropfen Parfüm hinter die Ohren und setzte sich einenbreitkrempigen, federgeschmückten Hut auf den Kopf. Ob er Donna Olimpia gegenüber vielleicht ein bisschen unvorsichtig gewesen war? Ihr zu drohen war sicher nicht besonders klug gewesen. Ein abschließender Blick in den Spiegel zerstreute seine Sorgen.
»
Avanti, avanti
, Rustico!«, rief er nach seinem Diener. »Hol den Korb! Wir fahren!«
Die Principessa hatte eine Wohnung am Campo dei Fiori genommen, in der Nachbarschaft von Virgilio Spada. Obwohl es von der Via della Mercede bis dort nur zwanzig Minuten Weg waren, hatte Lorenzo die große Kalesche anspannen lassen, die von sechs neapolitanischen Schimmeln gezogen wurde: eine richtige Staatskarosse mit dem Familienwappen der Berninis auf dem Schlag – größer als die Kutsche des Papstes. Wen er in diesem
Paradiso
wohl antreffen würde? Hoffentlich musste er nur nicht ein bestimmtes Mauleselgesicht ertragen! Aber das war wenig wahrscheinlich. Warum sollte die Principessa einen Steinmetz in diesen Kreis einladen?
Bei seiner Ankunft stellte Lorenzo enttäuscht fest, dass nur ein einfacher Lakai am Eingang des Palazzos wartete, um sein Gefährt zu bewundern. Zusammen mit Rustico folgte er dem Diener ins Haus, wo ihn im Arkadenhof Lautengesang empfing. Er war auf dem Weg durch den in Gold und Blau gehaltenen Empfangssaal immer deutlicher zu hören.
»Cavaliere Lorenzo Bernini, Dombaumeister von Sankt Peter und Architekt Seiner Heiligkeit, Papst Alexanders VII.!«
Die Tür flog auf, der Gesang verstummte, und mehrere Dutzend Augenpaare waren auf Lorenzo gerichtet, als er, den Hut unter dem Arm, den Raum betrat. Wie ein beleidigter Apoll ließ der Sänger seine Laute sinken – Lorenzo nahm es mit Vergnügen zur Kenntnis. Doch wo war die Principessa?
»Willkommen in meinem Haus, Cavaliere!« Mit ausgebreiteten Armen, gefolgt von zwei tänzelnden Windspielen, kam sie auf ihn zu. Lorenzo war entzückt. Sie trug eine schulterfreie Robe, die ihren schlanken Hals, auf dem aufrecht und stolz ihr Kopfsaß, anmutig zur Wirkung brachte. Das mit bunten Bändern durchflochtene Haar hatte sie zu einem Knoten geschlungen, ihr Gesicht schien durchgeistigt von der Reife eines Menschen, der alles Glück und Leid des Lebens erfahren hatte. Sie war so schön, wie er sie in Erinnerung hatte, ja, schöner noch. Sie schien einem jener edlen Rosenstöcke zu gleichen, die unbeschadet von der Zeit immer wieder neue, immer wieder noch herrlichere Blüten hervorzaubern, Jahr für Jahr.
»Ich bin überglücklich, Sie wieder zu sehen, Principessa!« Er beugte sich über ihre Hand und küsste sie. »Wenn ich nur geahnt hätte, was Ihnen widerfahren ist …«
»Darüber wollen wir heute nicht sprechen! Oh, ein Obstkorb? Für mich?«
»Sie wissen doch, das Laster der Neapolitaner. Pfui! Wollt ihr das wohl lassen!« Mit seinem Hut verscheuchte Lorenzo die beiden Hunde, die neugierig an den Früchten schnüffelten, als Rustico den Korb auf den Boden stellte.
»Die zwei scheinen Ihr Laster zu teilen, Cavaliere. Wer weiß, vielleicht stammen sie auch aus Neapel?« Die Principessa schenkte ihm ein so bezauberndes Lächeln, dass er schlucken musste. »Doch bitte, nehmen Sie Platz! Wir wollten gerade ein Spiel spielen.«
»Ja,
giuoco senese
«, rief einer der Gäste, während Lorenzo sich auf einem Divan niederließ, »das Frage-und-Antwort-Spiel!«
»Nein« – die Principessa schüttelte den Kopf –, »wir wollen etwas Neues versuchen. Wie wäre es, wenn jeder von uns ein Spiel vorschlägt, das noch nie erprobt
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