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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Taschentuch hervor und hielt es sich vor den Mund, während er das Gesicht von Clarissa abwandte und sich erhob.

12
    Die Scheiterhaufen der Heiligen Inquisition, auf denen die Ketzer und Magier verbrannten, loderten in diesem unerträglich heißen Sommer höher noch als sonst, und die Ärzte spekulierten, um das Übergreifen der Seuche vom Süden des Landes auf die Stadt Rom zu erklären, über geheime
humores
und
qualitates occultae
, welche die Luft angeblich verpesteten. Am sumpfigen Ufer des Tibers, in den Senkgruben der Palazzi und in den Aborten verloren indessen kranke Ratten, infiziert von den Flöhen in ihren Pelzen, ihre natürliche Scheu vor dem Licht und kamen in Scharen aus ihren Schlupflöchern gekrochen, tausende und abertausende, um wie trunken über das Pflaster der Gassen und Plätze zu taumeln und dort den schwarzen Tod zu verbreiten.
    Von den Auswirkungen der Plage blieben auch die Arbeiten an der Piazza Navona nicht unberührt. Francesco Borrominis ganze Anstrengung galt der Fertigstellung von Sant’ Agnese, der Kirche der Familie Pamphili, die unmittelbar an deren Palazzo angrenzte. Der Entwurf seines Vorgängers Rainaldo für das Gotteshaus hatte dem verstorbenen Papst nie gefallen, und Francesco hatte die Fassade noch zu dessen Lebzeiten abbrechen lassen und die Fundamente für die neue Front gelegt. Seine Pläne sahen einen konkaven Einzug der Fassade vor; dadurch konnte erdie Freitreppe einige Schritte zurückverlegen und so die Kirchenfront in ein harmonisches Verhältnis zu dem Vierströmebrunnen setzen. Noch aber sah der Platz, das Zentrum des künftigen Forum Pamphili, aus wie eine Schutthalde, übersät von den Trümmern der alten Fassade und den Travertinblöcken der neuen, die in der Bauhütte unweit der Piazza Madama angefertigt wurden.
    »Die Maurer wollen nicht mehr arbeiten«, sagte Bernardo Castelli, Francescos Neffe und erster Gehilfe. »Zwei Meister haben mit ihren Leuten die Arbeit schon niedergelegt.«
    »Wer die Arbeit verweigert, kann gehen«, erklärte Francesco schroff.
    »Und wer erledigt die Arbeit dann?«, fragte Camillo Pamphili, der gerade mit seiner Sänfte auf der Baustelle eingetroffen war.
    »Es handelt sich um keine Widerspenstigkeit«, erwiderte Bernardo. »Die Leute haben Angst.«
    »Das ist völlig einerlei«, sagte der Principe. »Papst Alexander hat mich beauftragt, persönlich dafür zu sorgen, dass hier ab sofort sieben Tage in der Woche gearbeitet wird – auch an den Feiertagen.«
    »Was ist der Grund für die plötzliche Eile?«, wollte Francesco wissen. »Vor zwei Wochen erst sprach ich bei Ihnen vor, um mehr Leute einzustellen, doch damals sagte Ihre Frau …«
    »Der Heilige Vater will ein Zeichen der Zuversicht setzen«, unterbrach ihn Camillo. »Das Volk braucht Ermunterung in dieser schweren Zeit. Alexander hat darum beschlossen, dass auch in diesem Sommer die Augustfeste stattfinden sollen.«
    »Trotz der Seuche?«
    »Allerdings, und zwar mit größerem Aufwand denn je. Cavaliere Bernini wird die Piazza in einen See verwandeln, ich glaube, er will hier Wagenrennen veranstalten. Der Platz muss also unverzüglich geräumt werden.«
    »So, Bernini plant einen See.« Francesco räusperte sich. »Und wie soll ich den Platz ohne Arbeiter räumen?«
    »Rufen Sie die Sbirren, die werden Ihren Männern Vernunfteinprügeln! Früher waren Sie nicht so zimperlich, wenn auf Ihrer Baustelle die Arbeit niedergelegt wurde. Oder trügt mich meine Erinnerung?«
    Francesco musste sich beherrschen, um keine ungebührliche Antwort zu geben. Am liebsten hätte er diesem aufgeblasenen Popanz ins Gesicht gespuckt. Stattdessen sagte er nur: »Darf ich zu bedenken geben, Don Camillo, dass, wer Angst vor der Pest hat, sich nicht vor Prügeln fürchtet?«
    »Ach, so ist das!« Der Principe blickte Francesco herausfordernd an. »Sie haben Angst vor der Pest? Ist das der Grund, weshalb Sie plötzlich so nachsichtig mit Ihren Leuten sind?«
    »Ich? Angst?« Francesco schnappte nach Luft. »Wie können Sie wagen, so etwas zu …«
    Er war nicht im Stande, den Satz zu Ende zu sprechen. Mit scharfem Rasseln zog sich seine Lunge zusammen, die Luft staute sich, als wolle sie seine Brust sprengen, und entlud sich dann in einem fürchterlichen Hustenanfall.
    »Sind Sie von Sinnen? Wenn Sie mich anstecken!« Entsetzt verhüllte Camillo sein Gesicht mit einem Tuch und eilte davon. Bevor er aber am Brunnen seine Sänfte bestieg, drehte er sich noch einmal um. »Sorgen Sie dafür,

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