Die Principessa
Blitz aus heiterem Himmel. Seit dem frühen Morgen feuerten sie den haushohen Flammofen, in dessen dunkelrot glühendem Bauch die gewaltigen Bronzebalken dahinschmolzen wie Käselaibe in der Augustsonne, und jede Minute würde General Barberini eintreffen, um das Schauspiel zu verfolgen.
»Bist du verrückt geworden? Ich brauche dich am Stichloch!«
»Dein Vater kann den Abstich machen, oder dein Bruder.«
»Unmöglich! Mein Vater ist zu alt, und auf Luigi kann ich mich nicht verlassen. Der hat nur Weiber im Kopf und denkt am Stichloch bloß daran, wo er heute Abend selber seinen reinstecken kann.«
Francesco wollte erneut widersprechen, da machte sich Unruhe im Gießhaus breit. Am Eingang erschien General Barberini, im vollen Ornat des Generale della Santa Chiesa und mit einem Dutzend Geistlicher im Gefolge, ein zarter, kränklicher Mann, von dem es hieß, er habe bei der Papstwahl seinem jüngeren Bruder nur deshalb den Vortritt gelassen, weil er nicht über dessen robuste Gesundheit verfüge. Mit sichtlichem Widerwillen trat er nun näher.
»Los, Francesco, an deinen Platz!«, zischte Lorenzo. »Sofort!
Oder du kannst deine Sachen packen! Für immer!«
Der
assistente
sah ihn mit versteinerter Miene an, störrisch wie ein Maulesel.
»Du darfst mich jetzt nicht im Stich lassen! Du bist mein bester Mann!«
Lorenzo sah, wie es in seinem Francesco arbeitete, doch war kein Zeichen für einen Sinneswandel zu erkennen. Sollte er doch seinen Vater rufen?
»Bitte! Ich flehe dich an!« Lorenzo zögerte eine Sekunde, bevor er den nächsten Satz aussprach. »Ich brauche dich. Ohne dich geht es nicht.«
Endlich nahm Francesco die Eisenstange und ging mit ihr zurück zum Ofen. Gott sei Dank! Lorenzo befahl einem Lehrling, die Erfrischungsgetränke für die Gäste zu holen, und eilte dem General entgegen, der mit misstrauischen Blicken den Flammofen beäugte.
»Ich bitte Eure Eminenz um Erlaubnis, mit dem Guss beginnen zu dürfen.«
Barberini nickte. Im selben Moment wich die Nervosität von Lorenzo. Er war nur noch Konzentration, der ganze Körper vibrierende Wachsamkeit. Das Wachs war aus der Hohlform ausgeschmolzen, jede Öffnung mit Tonstöpseln verschlossen. Auf sein Zeichen hin drehten zwei Männer an der riesigen Winde, mit der sie die steinerne Ofentür Stück für Stück in die Höhe zogen. Lorenzo hielt sich den Hut vors Gesicht, um sich gegen die Hitze zu schützen, die ihm plötzlich entgegenschlug. Eine grüne Flamme stieg über der Glut auf: Perfekt, das Kupfer der Legierung war geschmolzen.
»Legt Kohlen zu!«
Ein Dutzend Männer begann zu schaufeln, während ein anderes Dutzend die mannshohen Blasebälge betätigte, immer zwei an einem Gerät, um das Feuer anzufachen. Lorenzo stieß eine Stange in den Herd und rührte in der geschmolzenen Bronze, die wie Lava glühte und nur darauf wartete, sich in die Form zu ergießen.Er fügte noch Brocken von Zink, von Blei und Zinn hinzu, die in verschiedenen Haufen vor dem Ofen aufgeschichtet waren, während zwei Arbeiter mit einem Balg die Asche und den Schmutz, die dem flüssigen Erz den Weg versperren könnten, aus der Rinne bliesen. Dann ließ er die Ofentüren schließen, nickte seinem Vater und Luigi zu, damit sie die Wergpfropfen der Luftkanäle und die Tonstöpsel der Eingussröhren entfernten, atmete einmal tief durch und rief: »Jetzt, Francesco!«
Das war der Befehl, das Gussloch aufzustoßen: der alles entscheidende Augenblick. Doch Francesco reagierte nicht. Reglos stand er da, die Eisenstange in der Hand. Was war los? War er plötzlich taub? Lorenzo stürzte zu ihm, um ihm die Stange aus der Hand zu reißen – da ertönte ein Knall, unter dem das ganze Gießhaus erbebte, ein Wind wie ein Sturm fegte durch den Raum, und ein Feuer leuchtete auf, als wäre ein Blitz eingeschlagen. Lorenzo machte einen Satz vom Ofen zurück, wie vor einem wütend angreifenden Tier. Entsetzt ließen der General und sein Gefolge die Gläser fallen und stolperten zum Ausgang, Luigi und mehrere Arbeiter hinterher.
»Jeder an seinen Platz!«
Lorenzo brüllte so laut, dass seine Stimme das Getöse übertönte. Jetzt sah er, was passiert war: Die Decke des Ofens war geplatzt und hatte sich in die Höhe gehoben, sodass die flüssige Bronze über den oberen Mauerrand quoll. So schnell er konnte, stieg er, um das Gussloch aufzustoßen, über einen Arbeiter hinweg, den ein herabgestürzter Balken unter sich begraben hatte. Doch bevor er am Flammofen war, hatte bereits
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