Die Principessa
meinen Bruder beneiden«, sagte Urban, als er Lorenzo Bernini mit der Gestaltung der Trauerfeierlichkeiten beauftragte. »Die Römer verzeihen einem Papst alles – nur kein langes Leben. Und wir regieren nun schon viele Jahre.«
Lorenzo hätte den Auftrag am liebsten abgelehnt. Wochen und Monate musste er sich nun mit der menschlichen Vergänglichkeit beschäftigen – was für ein Graus! Dabei war er dem Leben so sehr zugetan, dass er nicht mal den Gedanken an den Tod ertrug, ja oft das Zimmer verließ, wenn nur das Wort ausgesprochen wurde. Selbst der Anblick des Kreuzes, an dem der tote Christus hing, erfüllte ihn mit Brechreiz.
Gott sei Dank, dass ihm auch bei dieser Aufgabe Francesco Castelli zur Seite stand! Die Zeit drängte, die Totenfeier sollte im August stattfinden, um das Volk möglichst bald für den entgangenen Karneval zu entschädigen, der in diesem Jahr wegen drohender Pestgefahr hatte ausfallen müssen. Obwohl Lorenzo sich täglich zur Arbeit zwingen musste, war er entschlossen, das Publikum mit einem phantastischen Einfall zu verblüffen. Wenn er sich schon genötigt sah, den Tod zu preisen, dann als grandioses Spektakel. Für das Trauergerüst, in dem die Urne des Verstorbenen ausgestellt werden sollte, entwarf er einen Katafalk, auf dessen Kuppel der Tod in Gestalt eines Fahne schwingenden Gerippes triumphierte, ein Einfall, dessen Ausführung er Francesco überließ, samt einem Heer von Malern, Kunsttischlern, Goldschmieden, Schneidern und Stuckbildnern.
Am 3. August wurde die Totenmesse gelesen, in Santa Maria in Aracoeli. Bei der Inszenierung betrieb Lorenzo einen solchen Pomp, dass die Trauerfeier schließlich zu einem grandiosen Triumph des Lebens über den Tod geriet. Der Kavalkade der Barberini, bestehend aus über tausend Reitern, folgten die prachtvoll geschmückten Equipagen der Kardinalsfamilien, von denen manche hundert Mitglieder umfassten, ein viele Meilen langer Zug, den Bürger und Bettler, Gaukler und Edelleute auf dem Weg zur Kirche bestaunten. Diese war ein einziges Blumenmeer, eingehüllt in Wolken von Weihrauch. Reden wurden gehalten, Schauspiele aufgeführt, Chöre gesungen, und der Kastrat Bonaventura, die lieblichste Stimme Roms, intonierte eine Komposition, die Claudio Monteverdi, Kapellmeister derMarkuskirche von Venedig, eigens für diesen Anlass geschrieben hatte.
Während auf den Straßen die Feierlichkeiten in die an solchen Tagen üblichen Prügeleien übergingen, fand ein Teil der Trauergemeinde sich im Capitol ein, dem Palast des römischen Rats und Volkes, der nur wenige Treppenstufen oberhalb der Kirche lag. Der Kardinalpräfekt der Stadt Rom, Sohn des verstorbenen Kirchenfürsten und Urbans Neffe, hatte geladen, um Lorenzo Bernini für seine Gestaltung der Exequien und insbesondere des Trauergerüsts mit der Verleihung der Bürgerrechte auszuzeichnen, zusammen mit einer Sondergratifikation von fünfhundert Scudi.
»Ist der Tod das Tor zum Leben«, sagte der Präfekt, als er ihm die Goldkette zum Zeichen seiner neuen Würde um den Hals hängte, »muss es ein Vergnügen sein, dieses Tor mit deiner Hilfe zu durchschreiten.«
Als Lorenzo sich wieder aufrichtete, blieb ihm fast das Herz stehen. Ein Gesicht von solcher Schönheit, dass ihm die Augen wehtaten, lächelte ihn aus der Ferne an. Irritiert stammelte er seinen Dank, ließ den Präfekten stehen und bahnte sich einen Weg durch die Menge, vorbei an den Bischöfen und Kardinälen mit ihren Familiaren, den Barberinis und Borgheses, den Chigis und Ludovisis, den Rospigliosis und Aldrobandinis, vorbei sogar an Papst Urban, der ihn, umringt von seinen Nepoten, mit erhobener Hand von seinem Thron herab grüßte, bis er, fast am Ende des Saales, das kleine Häuflein der Pamphilis erreichte.
»Haben Sie Dank für die köstlichen Früchte, die Sie uns geschickt haben!«, empfing ihn Donna Olimpia. »Darf ich Sie mit meinem Schwager bekannt machen? Monsignore Pamphili ist gerade als Nuntius aus Spanien zurückgekehrt.«
Lorenzo erwiderte ihren Gruß so wenig wie den des hässlichen Mannes an ihrer Seite. Er war wie gebannt von den zwei smaragdgrünen Augen, die ihn nun aus der Nähe anblickten.
»Was für ein Glück, Sie wieder zu sehen, Principessa. Ich dachte –nein, fürchtete! –, Sie wären zurück in Ihrer englischen Heimat.«
Clarissa öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihre Cousine kam ihr zuvor: »Ich gratuliere Ihnen zu der goldenen Kette, Cavaliere. Sie passt ausgezeichnet zu Ihrem Ring.
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