Die Principessa
Säugling zurück. »Aber ich glaube Principessa, wir sollten in mein Studio gehen. Da können wir ungestört reden. Ich bin ja so neugierig, wie es Ihnen in Ihrer Heimat ergangen ist,
in good old England
«, fügte er mit einem fürchterlichen Akzent auf Englisch hinzu und klatschte dann in die Hände. »
Avanti, avanti, bambini!
Ab mit euch ins Bett!«
Während die Kinder sich um ihre Mutter scharten wie Küken um eine Glucke, verabschiedete Clarissa sich von Berninis Frau und folgte ihm in ein Nebenzimmer. Zum Glück war sie nicht mit ihm allein im Haus! Das Studio erinnerte sie an das Innere ihrer Schmuckschatulle. Die Wände waren mit Samt und Brokat bespannt, überall glitzerte und funkelte es von Gold und Kristall, während sie in dem Perserteppich auf dem Boden fast versank. Was für eine Pracht! Aber sie war nicht hergekommen, um seinen Palast zu bewundern, neben dem der Palazzo Pamphili sich wie eine armselige Hütte ausnahm. Ohne zu überlegen, wie sie das Gespräch eröffnen solle, stellte sie ihn zur Rede, kaum dass er die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
»Wo ist Signor Castelli?«
»Castelli?«, fragte er verwundert und forderte sie mit einer Geste auf, in einem gold lackierten Lehnstuhl Platz zu nehmen. »Brauchen Sie einen Steinmetz?«
Clarissa blieb stehen. »Ich habe den Glockenturm gesehen«, sagte sie, so ruhig sie konnte. »Der Entwurf stammt von Francesco Castelli, er hat ihn mir selbst gezeigt. Sie haben seine Ideen gestohlen. Der Turm ist sein Werk.«
Um Berninis Augen zuckte es einmal kurz, und das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand. »Ist es möglich«, erwiderte er kühl, »dass Sie gerade Englisch mit mir gesprochen haben? Zumindest habe ich den Sinn Ihrer Worte nicht verstanden.« Er griff nach einem der rotbackigen Äpfel, die sich in einer kunstvollen Pyramide auf dem Tisch türmten, und betrachtete nachdenklich die Frucht. »Doch was Ihre Frage nach dem Verbleib meines ehemaligen
assistente
angeht, so kann ich Ihnen Auskunft geben.« Er drehte sich zu ihr herum und sah sie an. »Es gibt in Rom keinen Francesco Castelli mehr.«
Während er in seinen Apfel biss, spürte Clarissa, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich.
»Was soll das heißen? Hat er Rom verlassen?«
»Wer weiß?«
»Oder«, sie machte eine Pause, »ist ihm etwas zugestoßen? Hat es ein Unglück gegeben?«
»Unglück?« Bernini zuckte mit den Achseln. »Er hat es selbst so gewollt, sonst hätte er es nicht getan. Er hat sich freiwillig dazu entschieden.«
»Was hat er getan? Herrgott, sagen Sie mir doch, was mit ihm ist!«
»Bin ich sein Hüter?«, erwiderte Bernini und biss erneut in seinen Apfel. »Ich habe bei Gott andere Dinge zu tun, als mich um diesen Menschen zu kümmern.«
Clarissa spürte eine diffuse, unbestimmte Angst, ganz ähnlich wie vor vielen Jahren einmal als Kind, nachdem sie sich bei dichtem Nebel im riesigen Park ihres Elternhauses verlaufen hatte. Was wollte Bernini mit seinen Andeutungen sagen? Hatte Castelli seinen Beruf aufgegeben? War er in eine andere Stadt gezogen? Oder – sie wagte kaum, diesen Gedanken zu denken – hatte er sich etwas angetan und war nicht mehr am Leben?
»Wenn ich ihn nicht finde«, flüsterte sie, »ist der Schaden nie wieder gutzumachen.«
Bernini legte den Apfel fort und schaute sie an. Seine Augen, die eben noch so kalt und abweisend gewesen waren, füllten sich mit liebevoller Zärtlichkeit. Clarissa spürte, wie gegen ihren Willen ihre Knie weich wurden und ihr Mund austrocknete.
»Warum hast du mich damals verlassen?«, fragte er leise und kam näher. »Ohne Abschied, ohne ein Wort. Ich habe dich so sehr geliebt.«
Sie musste schlucken, bevor sie antworten konnte. »Du wusstest doch, dass ich heiraten würde«, sagte sie so gefasst wie möglich, doch die Worte waren schon heraus, als sie merkte, dass sie sein Du erwiderte. »Deshalb musste ich zurück nach England.«
»Was willst du dann hier?«, fragte er. »Warum bist du nicht bei deinem Mann?«
»Das hat nichts mit dir zu tun.«
»Wirklich nicht?« Er nahm ihre Hände und führte sie an seine Lippen. »Hast du vergessen, was zwischen uns war?«
»Es war nichts zwischen uns …«
Er sah sie so fest an, dass sie zitterte.
»Und der Kuss?«, fragte er. »Ich würde für diesen einen Kuss mein ganzes Leben geben.«
Sie versuchte sich von ihm freizumachen, aber es war, als wäre alle Kraft aus ihren Armen geschwunden. Er hob ihr Kinn und blickte ihr in die Augen.
»Sag mir, dass du diesen
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