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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Menschen, der ihr Auskunft über Castellis Verbleib geben konnte.

5
    Es war dunkle Nacht, als sie endlich vor seinem Haus in der Via della Mercede stand, ganz in der Nähe des Palazzo di Propaganda Fide. Mannsgroße Fackeln beschienen das hohe, breite Portal, während Clarissa nach dem bronzenen Türklopfer griff. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. Hier, in diesem herrschaftlichen Palast, der sich vier Stockwerke in den nachtschwarzen Himmel erhob, wohnte der Mann, der sich an Gott und der Schönheit gleichermaßen versündigt und sie aus Rom vertrieben hatte, der Mann, den sie als allerletzten Menschen auf der Welt wieder sehen wollte und den sie jetzt doch wieder sehen musste. Ein Diener in Livree öffnete ihr die Tür und führte sie in eine von tausend Kerzen erleuchtete, mit Spiegeln und Stuck ausgeschmückte Halle, in der ein halbes Dutzend Kinder spielte. Sie wurden beaufsichtigt von einer hoch gewachsenen jungen Frau mit einem Säugling auf dem Arm, deren kastanienfarbenes Haar ein vollkommen ebenmäßiges, wie in Wachs modelliertes Gesicht einrahmte, aus dem Clarissa zwei sanfte Rehaugen anblickten.
    »Ich bitte Sie um Verzeihung, Signora«, sagte Clarissa, »wenn ich zu so später Stunde störe, zumal wir einander nicht kennen. Ich bin gekommen, um …«
    »Principessa? Sind Sie es wirklich?«
    Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da flog eine Tür auf und herein kam in einem offenen, bis zum Boden wallenden Umhang Lorenzo Bernini. Mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln eilte er auf sie zu.
    »Was für eine wunderbare Überraschung!«, sagte er, während er sich über ihre Hand beugte. »Aber ich habe immer gewusst, dass wir uns eines Tages wieder sehen. Seit wann beglücken Sie unsere arme alte Stadt mit Ihrer strahlenden Gegenwart?«
    »Ich bin vor drei Wochen angekommen.«
    »Wie? Schon so lange? Und dann besuchen Sie mich erst jetzt?«, fragte er mit gespielter Empörung. »Da hätte ich ja allen Grund, Ihnen böse zu sein. Übrigens«, fuhr er im selben Atemzug fort, »darf ich Ihnen meine Frau vorstellen? Caterina Tezio – ein Geschenk des Himmels. Oder genauer: des Papstes.«
    Seine Frau schüttelte mit nachsichtigem Lächeln den Kopf. »Sie wissen doch, Cavaliere, dass ich solche Reden nicht mag.«
    »Aber wenn es doch wahr ist!«, protestierte er und küsste ihre Hand. »Papst Urban«, fügte er, an Clarissa gewandt, hinzu, »hat mich damals gezwungen, mein schlimmes Leben aufzugeben – Gott sei Dank! Sie erinnern sich an den Zwischenfall mit meinem Bruder? Der arme Luigi, er musste nach Bologna – unsere Mutter und der Papst waren der Meinung, wir sollten uns ein paar Jahre nicht sehen – und ich durfte dieses wunderbare Geschöpf heiraten. Ja, Principessa, ich gestehe es frei heraus, ich habe in jungen Jahren manches falsch gemacht. Doch Sie werden staunen, ich habe mich gewandelt. Jeden Sonn- und Feiertag besuche ich die Messe, und einmal pro Woche gehe ich zur Beichte. Kein Bischof könnte frommer sein als ich.«
    Clarissa blickte ihn an: ein stattlicher, selbstsicherer Mann, der um seine Wirkung wusste. Dabei schienen die Jahre spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Kaum ein graues Haar in seinen schwarzen üppigen Locken, und die kleinen Fältchen um seine Augen verrieten nur, dass er viel lachte. Hatte sie sich vielleicht doch in ihm getäuscht? War die fürchterliche Geschichte über ihn damals nur ein Gerücht gewesen, das sich längst als unwahr erwiesen hatte?
    »Es scheint Segen auf Ihrer Ehe zu liegen, Signor Bernini.«
    »Sagte ich nicht, dass Caterina ein Geschenk des Himmels ist? Zwar versucht sie stets, einen besseren Menschen aus mirzu machen, als ich bin, doch wenn ich hier und da noch fehle, sieht sie mir zu meinem Glück alle Sünden nach.«
    »Hören Sie nicht auf ihn!«, sagte Caterina. »Der Cavaliere schreibt neuerdings Lustspiele fürs Theater und glaubt darum bisweilen, selber wie ein Komödiant reden zu müssen.«
    »Wirst du wohl aufhören, meine Geheimnisse zu verraten! Aber wie könnte ich ihr böse sein, Principessa? Sie ist die Mutter meiner Kinder, und die bedeuten mir mehr als mein Leben. Dieses hier« – er nahm seiner Frau den Säugling vom Arm – »ist erst drei Monate alt. Chiara, ein Mädchen. Ist sie nicht ganz die Mutter?«
    »Sie heißt Carla, Signor«, verbesserte Caterina ihn mit einem liebevollen Kopfschütteln. »Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen?«
    »Ja, ich werde alt«, erwiderte er lachend und gab seiner Frau den

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