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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Vor ihr stand ein Mann, ganz in Schwarz gekleidet.
    »Signor Castelli?«, rief sie. »Mein Gott, Sie sind in Rom?«
    »Wo sonst? Ich habe die Stadt nie verlassen.«
    »Wenn Sie wüssten, was für Sorgen ich mir gemacht habe! Ich kann kaum fassen, Sie hier zu sehen.« Sie ordnete ihren Schleier und gab sich Mühe, ruhiger zu sprechen. »Ich hatte schon Angst, Ihnen wäre etwas zugestoßen oder Sie wären gar tot. Ach, was rede ich da, Sie müssen ja glauben, ich bin von Sinnen. Aber man hat mir gesagt, es gebe keinen Castelli mehr in der Stadt.«
    »Tot?« Er lächelte sie an, ein scheues, verlegenes Lächeln.
    »Nein, ich habe nur den Namen gewechselt. Ich heiße jetzt Borromini.«
    »Aber warum haben Sie das getan?«
    »Es gab zu viele Castellis auf den Baustellen in Rom«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Außerdem, schon mein Vater trug diesen Beinamen.«
    Während sie sprachen, schien es Clarissa, als wäre die Zeit stehen geblieben. Ohne nach all den Jahren zu fragen, stand er so selbstverständlich vor ihr, als gehöre er zu ihrem Leben wie ihre eigene Erinnerung. Obwohl er jetzt einen anderen Namen trug, sich kleidete wie ein Spanier und auch die Zeit deutliche Spuren in seinem Gesicht hinterlassen hatte, war er immer noch derselbe Mann wie damals: stolz und verletzlich, überheblich und schüchtern. Sie reichte ihm die Hand. Mit ernster Miene erwiderte er ihren Händedruck.
    »Ihr Herz hat Sie hierher geführt, nicht wahr?«, sagte sie nach einer langen Weile.
    Irritiert schaute er sie an.
    Sie deutete mit dem Kopf auf den Turm. »Ist das nicht Ihr Werk?«
    Sein Gesicht verdüsterte sich. »Der Turm da? Ich will ihn nicht sehen.«
    »Warum nicht?« Seine Hand fühlte sich immer noch ebenso zart wie kräftig an. Sie verstärkte ihren Händedruck. »Weil Ihr Herz dann weint?«
    »Mein Herz?« Er lachte verächtlich und ließ ihre Hand los.
    »Wegen einer solchen Pfuscharbeit?«
    »Wenn Sie mit dem Turm nicht zufrieden sind«, erwiderte sie, ohne zu wissen, woher sie die Sicherheit nahm, mit der sie sprach, »dann bringen Sie ihn in Ordnung! Warum sind Sie sonst hier?«
    »Das ist Zufall. Mein täglicher Weg zur Baustelle.«
    »Nein, das ist kein Zufall«, widersprach sie. »Sie haben mir damals Ihre Pläne gezeigt, Signor Borromini. Glauben Sie, das hätte ich vergessen? Ich weiß noch genau, wie Ihre Augen geleuchtet haben.«
    Er räusperte sich, und in seinem Gesicht begann es zu zucken, doch er öffnete sich nicht. Sie wusste, hinter seiner abweisendenMiene verbarg sich so viel Schönes, so viel Gutes. Was konnte sie tun, damit er es freiließ?
    »Bringen Sie das in Ordnung!«, wiederholte sie und nahm erneut seine Hand. »Bitte, Signor, versprechen Sie mir das!«

8
    Sollte er oder sollte er nicht? Hartnäckig wie eine Fliege summte Lorenzo diese kleine, verführerische Frage im Kopf herum, während er die Arbeiten im Gießhaus beaufsichtigte. Seit Mittag schmolz im Flammofen das Erz für die Barberini-Bienen, die das Grabmal von Papst Urban schmücken sollten, doch wenn er heute so erregt war wie damals vor dem Guss der Altarsäulen von Sankt Peter, hatte dies einen anderen Grund. Das Wiedersehen mit der Principessa hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Einerseits drängte alles in ihm, Clarissa aufzusuchen, andererseits … Er hatte sein Leben so wunderbar eingerichtet. Man ließ ihn in Ruhe arbeiten, er konnte bildhauern, er konnte bauen, er konnte ab und zu seine Frau betrügen. Sollte er dieses herrliche Leben gefährden? Indem er heute Gefühlen nachgab, die morgen schon ganz andere sein konnten?
    Dass sein Leben in diesen glücklichen Bahnen verlief, war ja keine Selbstverständlichkeit. Nach dem Duell mit seinem Bruder Luigi hatte der Papst ihm weitaus heftiger gezürnt, als allgemein bekannt geworden war. Während Lorenzo beim Volk weiter als Urbans Liebling galt, hatte der Papst ihm eine Strafe von dreitausend Scudi auferlegt und sich einen Monat lang geweigert, ihn zu empfangen. Gelähmt von einer schweren Gemütskrankheit, wie er noch keine zuvor erlebt hatte, war Lorenzo unfähig gewesen, irgendetwas zu unternehmen, und allein seiner Mutter hatte er zu verdanken, dass er Urbans Gnade wiedererlangte. Sie hatte sich beim Bruder des Papstes für ihnverwandt und Kardinal Francesco Barberini angefleht, die Strafe zu mildern, worauf Urban die Anklage unter der Bedingung fallen ließ, dass Lorenzo die ebenso schöne wie züchtige Caterina Tezio, Tochter eines Prokurators am päpstlichen Hofe,

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