Die Principessa
ehelichte und Luigi vorübergehend nach Bologna verschwand, um dort die Baustelle an der Kirche San Paolo Maggiore zu leiten.
»Worauf wartest du, Lorenzo? Was ist heute mit dir los? Du bist ja gar nicht bei der Sache!«
Luigi, der am Stichloch bereitstand, wartete ungeduldig auf ein Zeichen seines Bruders. Zerstreut hob Lorenzo die Hand, um den Befehl zum Abstich zu geben, doch noch bevor das glühende Erz sich in die Rinne ergoss, war er mit seinen Gedanken schon wieder woanders. Er sah Clarissa vor sich, bei ihrer letzten Begegnung, wie sie auf seine Frage hin den Blick gesenkt hatte, ohne ihm zu antworten. Vielleicht ein Versprechen?
Und er selbst? War er in die Principessa nur verliebt – oder liebte er sie? Wenn ihm sonst eine Frau gefiel, streckte er die Hand nach ihr aus, wie um eine Frucht zu pflücken, aber geliebt hatte er, der in den Herzen so vieler Frauen die Liebe entflammt hatte, selber noch nie, nicht einmal Costanza – sie hatte nur seinen Stolz herausgefordert. Weder um seinen Schlaf noch um seinen Appetit hatte sie ihn gebracht. Umso mehr verwirrten ihn die Gefühle, die Clarissa nun in ihm auslöste. Das Verlangen nach ihr hatte ihn bei ihrem Wiedersehen erst nur gestreift; es schien sich hinter einem anderen, stärkeren Gefühl zu verbergen, das sich erst dunkel und unbekannt zu regen begann. Doch wenn er jetzt an sie dachte, fühlte er sich unruhig, nervös, fiebrig, wie vor dem Ausbruch einer Krankheit; des Nachts lag er oft stundenlang wach, und bei Tisch vergaß er noch öfter zu essen. War das die Liebe?
Als Lorenzo sich am Abend auf den Weg machte, schwitzte er in seinem prächtigen Anzug nicht weniger als am Tage im Gießhaus, so schwül stand die Luft in den Gassen, obwohl die Sonne längst untergegangen war und am Himmel schon die silberneSichel des Mondes schien. Seiner Frau hatte er gesagt, Urban habe ihn zum Nachtmahl befohlen, um mit ihm über das Grabmal zu sprechen, doch statt mit seinem Schimmel zum Quirinal zu reiten, ging er zu Fuß in die Richtung der Piazza Navona. Um vor dem Wiedersehen mit Clarissa das Lachen seiner Kinder aus den Ohren zu bekommen, entschloss er sich, einen Umweg über Santa Maria sopra Minerva zu machen, und während er allmählich die grünen Augen der Principessa vor sich sah und bald auch ihren lächelnden Mund, dachte er darüber nach, wie er das Gespräch eröffnen solle. Die ersten Worte waren immer entscheidend, denn in Liebesdingen kam es wie in der Kunst vor allem auf den überraschenden Einfall an.
Er überquerte gerade die Piazza del Collegio Romano, als wütende Schreie ihn aus seinen Gedanken rissen. Gleich darauf erblickte er im Mondschein eine Rotte aufgebrachter Männer, die mit Knüppeln bewaffnet aus einer Seitengasse gestürmt kamen, geradewegs auf die Statue von Papst Urban zu, Lorenzos eigenes Werk, ein tönernes Modell für das Grabmal, das vor dem Collegio aufgestellt worden war. Ohne zu überlegen, griff Lorenzo nach seinem Degen und trat der Horde entgegen.
»Oho, wen haben wir denn da! Cavaliere Bernini! Geschwinde, geschwinde! Laufen Sie und holen Sie Ihren Meißel! Sie müssen jetzt neue Büsten schaffen!«
Lorenzo erkannte den Schreihals, um den die anderen sich scharten wie Wölfe um ihr Leittier, erst auf den zweiten Blick: Monsignore Cesarini, ein Sekretär der Baukongregation, der ihm schon einige Male wegen seiner dummdreisten Art aufgefallen war.
»Was hat Ihr Betragen zu bedeuten, Monsignore?«
»Oder wie wär’s mit einem Heiland für die Apsis von Sankt Peter?«, höhnte Cesarini weiter. »Damit er neben seinem Schächer Urban hängt, wie es sich gehört! Los, Männer«, forderte er seine Kumpane auf, »nieder mit ihm!«
Bevor Lorenzo begriff, was passierte, hob Cesarini eine Eisenstangein die Höhe. Lorenzo duckte sich, doch der Angriff galt nicht ihm, sondern der Bildsäule des Papstes. Er zog seinen Degen und warf sich zwischen Cesarini und die Statue, als stünde Urbans Leben auf dem Spiel. Ohne auf die anderen Banditen zu achten, die gleichfalls ihre Knüppel hoben, stürzte er sich, den Degen voraus, mit einem Schrei auf ihren Anführer, packte den Griff seiner Waffe mit beiden Händen, holte über dem Kopf aus, und ehe Cesarini es sich versah, schlug er ihm mit einem mächtigen Hieb die Eisenstange aus der Hand, die klirrend zu Boden fiel. Cesarini bückte sich, doch bevor er die Stange zu fassen bekam, trat Lorenzo ihm auf die Hand und setzte ihm die Spitze seines Degens an den Hals.
»Untersteh
Weitere Kostenlose Bücher