Die Principessa
wenn es um sein Werk geht, wird er alles tun, um Sie zu unterstützen.«
»
Sein
Werk, Principessa?«, fragte Lorenzo. »Was wollen Sie damit sagen?«
»Sie wissen es selbst, Cavaliere.« Sie erhob sich von ihremStuhl und trat auf ihn zu. »Erklären Sie, dass der Glockenturm Ihr gemeinsames Werk ist, und ich bin sicher, Signor Borromini wird nicht zögern, Ihnen bei der Rettung des Turmes beizustehen.«
Lorenzo schnappte nach Luft. »Warum soll ich so etwas erklären? Der Entwurf stammt aus
meinem
Atelier!«
»Sicher, aber hat Borromini nicht bedeutende Ideen dazu beigetragen?«
»Na und? Jeder Architekt hat das Recht, mit den Zeichnungen seiner Gehilfen zu verfahren, wie es ihm beliebt.«
»Koste es, was es wolle?« Clarissa schaute ihn eindringlich an.
»Signor Borromini ist der einzige Mann, der Ihnen jetzt helfen kann. Wollen Sie wirklich riskieren, dass der Turm abgerissen wird? Nur um sich nicht den Ruhm mit ihm zu teilen?«
Lorenzo schlug die Augen nieder. Alles in ihm sträubte sich gegen ihren Vorschlag. Doch der Befund, den er in der Baugrube vorgefunden hatte, war vernichtend gewesen. Herrgott, was sollte er nur tun?
»Nun, Cavaliere?«
Plötzlich begegneten seine Augen Clarissas Blick: Madonna, was war sie nur für eine schöne Frau! Im selben Moment war seine Entscheidung gefallen.
»Wenn es Ihr Wunsch ist, Principessa, an mir soll es nicht fehlen.«
»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich das freut!« Mit strahlendem Gesicht reichte sie ihm die Hand. »Dann mache ich mich sofort auf den Weg. Noch heute werde ich mit Signor Borromini sprechen.«
Sie raffte ihren Rock und eilte zur Piazza, wo ihre Kutsche wartete. Während Lorenzo ihr nachschaute und sich noch fragte, ob er sich richtig entschieden hatte, kam ihm eine zweite Frage in den Sinn: Für wen nahm sie all diese Mühe auf sich? Für ihn oder – sein Gehirn weigerte sich fast, den Gedanken zu denken – für Francesco Borromini?
Da drehte sie sich noch einmal um und rief: »Übrigens, Cavaliere,Donna Olimpia zerbricht sich den Kopf über eine Belustigung für den nächsten Karneval. Haben Sie vielleicht eine Idee?«
15
»Sie dürfen nicht gegen ihn stimmen! Es wäre zu Ihrem eigenen Schaden. Sie müssen vielmehr alles tun, um den Glockenturm zu retten! Er ist doch auch Ihr Werk!«
Seit einer Viertelstunde redete Clarissa auf Francesco Borromini ein, doch es war, als rede sie gegen eine Wand. Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und die Arme vor der Brust verschränkt. Nicht mal einen Platz hatte er ihr angeboten.
»Mein Werk?«, knurrte er. »Ganz Rom hat den Turm als eine Schöpfung des großen Bernini gepriesen, als weiteren Beweis seines Genies. Aber jetzt, nachdem die Risse da sind und jedermann sich wundert, wie das nur passieren konnte, soll ich in die Bresche springen und meinen Namen dafür hergeben! Wozu? Damit man mich auslacht?«
»Niemand wird Sie auslachen. Im Gegenteil, die Römer werden Ihnen dankbar sein.«
»Die Dankbarkeit der Römer kenne ich.«
Es trat eine Pause ein. Clarissa wusste, worauf er anspielte, und sie wusste auch, dass er alles Recht der Welt hatte, so zu reden. Draußen dämmerte es bereits, und durch die winzigen Fenster drang so wenig Licht in die niedrige Kammer, dass die Buchrücken in den Regalen sich nur noch wie ein dunkles Relief von der weiß gekalkten Wand abhoben. Clarissa nahm den Kerzenleuchter vom Tisch und ging damit zum Herd am anderen Ende des Raumes.
»Gerade darum müssen Sie sich diesmal zu erkennen geben, Signor Borromini«, sagte sie und entzündete mit einem Fidibusden Leuchter. »Es darf Ihnen kein zweites Mal so ergehen wie mit dem Hochaltar. Niemand weiß, was Sie damals geleistet haben. Wollen Sie wirklich, dass sich dieses Unrecht wiederholt?«
Er drehte sich zu ihr um, und als sie sein Gesicht in dem flackernden Kerzenschein sah, erkannte sie darin die alte Trauer.
»Weshalb tun Sie das?«, fragte er. »Hat er Sie abermals geschickt?«
Um seine dunklen Augen zuckte es, während er sprach, als wolle er sie nicht nur mit seinen Worten, sondern auch mit seinen Blicken verletzen. Warum verhielt er sich so abweisend? Clarissa spürte, dass er gar nicht so sein wollte wie er sich gab, aber es war, als wüte in seinem Innern ein Dämon, der ihn immer wieder zu Dingen antrieb, die ihm selbst zuwider waren. Was konnte sie nur tun, um ihn zu besänftigen?
»Ich habe Ihre Kolonnade im Palazzo Spada gesehen«, sagte sie.
»Stellen Sie sich vor, ich bin auf die
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