Die Principessa
Boden zu übertragen, wusste er, dass seine Hoffnung vergeblich war: Die Balken und Streben der Pfahlgründung waren so verrottet und verfault, dass sie unter seiner Hacke zerfielen wie modrige Pilze.
Lorenzo warf sein Werkzeug hin und kletterte über eine Leiter aus der Baugrube ins Freie. Es war zum Verzweifeln! Wenn er diese Sache nicht in den Griff bekam, war es um ihn geschehen. Der verfluchte Glockenturm stellte ihn schon jetzt vor die schlimmsten Folgen, Folgen, die ihn ruinieren konnten. Innozenz gab ihm seinen Missmut so deutlich zu verstehen wie sonst nur den Barberini – ja, er lieferte ihn der öffentlichen Lächerlichkeit aus.
Die Sache war die: Obwohl der neue Papst kein Freund der Künste war, wollte er doch wie jeder seiner Vorgänger mit Hilfe der Architektur Rom seinen Stempel aufdrücken. Dabei beschränkte er sich keineswegs auf Kirchen und Klöster. Angestachelt von seiner ehrgeizigen Schwägerin, plante er einen großzügigenAusbau des halb zerfallenen Pamphili-Palastes an der Piazza Navona: Die Piazza sollte als sein persönlicher Wohnsitz das weltliche
teatro
des herrschenden Kirchenfürsten und seiner Familie werden. Alle bedeutenden Architekten der Stadt waren aufgefordert, Vorschläge für die Gestaltung des Platzes einzureichen, als dessen Prunkstück ein Brunnen von nie dagewesener Schönheit vorgesehen war. Nur der erste Künstler der Stadt, Cavaliere Lorenzo Bernini, war auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes von diesem Wettbewerb ausgeschlossen, obwohl er seit Urbans Zeiten Intendant der städtischen Brunnen war. Was für eine Demütigung!
Lorenzo wusste, das hatte er Donna Olimpia zu verdanken. Und er gab sich keinen Illusionen hin. Solange er diese Frau zur Feindin hatte, konnte er in Rom tun, was er wollte – kein Kardinal, kein Fürst würde ihm je wieder einen bedeutenden Auftrag geben. Ob er einfach seinen Schwur brechen und dem Ruf des französischen Hofes folgen sollte? Premierminister Mazarin hatte ihm geschrieben, in Paris werde man ihn wie einen Fürsten empfangen.
»Was stehst du da und glotzt mich an!«, sagte er, als er plötzlich seinen Bruder vor sich sah. »Lass dir lieber was einfallen! Wenn wir keine Lösung finden, bist du genauso erledigt wie ich.«
»Wie wär’s«, erwiderte Luigi, »wenn du dich um deinen Besuch kümmern würdest, statt mich anzufauchen?«
»Besuch?« Überrascht drehte Lorenzo sich um. »Principessa …«
Für einen Moment verschlug es ihm die Sprache. Eilig zog er seinen Rock über. »Bitte entschuldigen Sie, aber dringende Arbeiten …«
»Ich weiß«, unterbrach sie ihn. »Aus diesem Grund bin ich ja hier. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen. Vielleicht gibt es eine Lösung.«
»Ach ja?«, fragte er, während er den letzten Knopf schloss. »Solange Innozenz jeden Tag ein so hässliches Gesicht im Spiegel sieht, ist kaum zu erwarten, dass er Kunstwerke angemessen zu würdigen weiß.«
»Ich verstehe Ihre Gefühle«, erwiderte sie, während sie auf dem Stuhl Platz nahm, den Luigi ihr anbot. »Aber glauben Sie, Zynismus hilft Ihnen weiter?«
»Haben Sie eine bessere Idee?«
»Allerdings.« Sie nickte. »Sie sind Bildhauer, Cavaliere, ein Künstler. Mit technischen Problemen geben Sie sich nur ungern ab. Sie brauchen einen Ingenieur an Ihrer Seite.«
»Ha, daran herrscht kein Mangel. Ich beschäftige in meiner Werkstatt über ein Dutzend Ingenieure – lauter neunmalkluge Rechenkünstler, die mich beraten. Aber leider können auch sie nicht zaubern.«
Clarissa schüttelte den Kopf. »Ich meine nicht irgendeinen Ingenieur, Signor Bernini. Ich meine den Mann, der sich mit dem Glockenturm ebenso lang und intensiv beschäftigt hat wie Sie und der Ihnen darum besser helfen kann als jeder andere.«
Lorenzo ahnte, wen sie meinte, doch in der Hoffnung, dass er sich irrte, wollte er den Namen aus ihrem eigenem Mund hören.
»Und wer soll dieser Erlöser sein?«
»Francesco Borromini«, sagte sie ohne zu zögern. »Ihr ehemaliger
assistente.
«
»Der? Mir helfen?« Lorenzo lachte auf. »Dieser Neidhammel würde eher seine Seele verkaufen! Der will doch selber Dombaumeister werden!«
»Signor Borromini ist ein redlicher Mann.«
»Nur solange es ihm nicht schadet. Es gibt keine redlichen Menschen. Er ist nicht besser als wir anderen.«
»Und wenn doch?«
»Er wird das Gegenteil noch früh genug beweisen. Warten Sie ab, er lauert nur auf eine Gelegenheit, um mir zu schaden.«
»Ihnen vielleicht«, bestätigte Clarissa. »Aber
Weitere Kostenlose Bücher