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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Vorstellungskraft fehlte – noch heute hallte ihr Gelächter in ihm wider. Einen Gehirnkranken hatten sie ihn genannt, doch jetzt, da seine ersten Bauwerke endlich standen, konnten sie sich nicht satt an ihnen sehen. Wie oft hatte er von der
tribuna
in San Carlo aus beobachtet, wie Architekten aus aller Welt sich die Hälse verrenkten, um mit aufgesperrten Augen und Mündern den fließenden Bewegungen der Gebäudegliederung zu folgen, wo ein Element nach dem anderen verlangte und die Blicke immer weiter führte – staunende Idioten in stummer Adoration, als schauten sie Gott bei der Arbeit zu. Und alle wollten seine Pläne – Deutsche, Flamen, Franzosen, sogar ein Inder hatte ihn nach einem Riss gefragt. Ein Vermögen hätte er mit den Kopien verdienen können, doch er hütete sich. Er kannte dieses Pack. Sie wollten seine Pläne nicht, um aus ihnen zu lernen, sondern nur, um seine Ideen zu stehlen.
    Wieder und wieder korrigierte er die Zeichnung, ernst und beharrlich, entfernte hier eine Volute, fügte dort eine hinzu, um den Entwurf immer weiter zu verbessern. Alle Welt behauptete, Berninis Turm sei vollkommen? Diese Armen im Geiste, sie hatten ja keine Ahnung! Mit einem Lappen wischte er die prätentiösen Säulenstellungen des dritten Obergeschosses in Berninis Entwurf fort, um sie durch eine schlichte Front zu ersetzen. Weg mit allem überflüssigen Gepränge! Architektur war Gottesdienst, in ihr spiegelten sich die ewigen Gesetze der Schöpfung wider. Nur darum ging es, alles andere war zuchtlose Effekthascherei.
    Mit derselben Sorgfalt, die er dem Aufbau gewidmet hatte, wandte er sich dem Grundriss zu. Hier verbarg sich die Lösung für das Fundament … Man musste die Obergeschosse auf einer kleineren Fläche anordnen, damit sie die Quermauer zur Vorhalle nicht belasteten. Dafür hatte der große Bernini natürlich keinen Sinn. Wie er sich gewunden hatte vor der Kongregation! Alle waren schuld: Maderno, Papst Urban, sogar der alte Calarmeno,der noch zu Papst Pauls Zeiten an den Fundamenten gearbeitet hatte – nur er selbst nicht! Aber wer hatte denn einen dreimal so hohen und sechsmal so schweren Turm geplant, ohne an eine Verstärkung der Fundamente zu denken? Was bildete dieser eitle Pfau sich ein? Dass er der Herrscher der Welt sei? Dass die Götter ihm einen Glücksring an den Finger gesteckt hätten, damit Stein und Marmor sich nach seinem Willen formten? Dass er sich ein Gebäude nur auszudenken brauche, damit es Gestalt annahm, ohne Arbeit und Mühe und Fleiß? Wusste er denn nicht, dass Gott die Menschen aus dem Paradies vertrieben hatte, auf dass sie ihr Brot im Schweiße ihres Angesichtes aßen? Was für eine Anmaßung! Was für ein Frevel!
    Borromini bekam einen so schweren Hustenanfall, dass er seinen Zeichenstift niederlegen musste. Mit rasselnder Lunge rang sein Körper um die lebensnotwendige Atemluft, als wolle er ihn auch jetzt, da sich endlich nach all den Jahren der Verachtung und des Hohns die Anerkennung einstellte, nach der es ihn verlangte wie einen Verdurstenden nach einem Schluck Wasser, noch immer daran erinnern, dass er einst als Steinmetz angefangen hatte, der sich alles erarbeiten musste, Schritt für Schritt. Wie beneidete er seinen Rivalen, dem die Dinge so leicht und mühelos gelangen! Ja, Herrgott noch mal, er wusste schon, es war der Neid, der wieder und wieder an ihm nagte, ihm niemals Ruhe gab, jede Sekunde seines verdammten Lebens in seine Gedärme und in sein Herz kroch wie ein böses, unheilvolles Gift, um dort seine Wut zu schüren – ja, ja, ja, er wusste es und hasste sich dafür. Aber, bei Gott und allen himmlischen Heerscharen, hatte er nicht Recht? Tausend -und abertausendmal?
    »Na, warte!«, sagte er, als sein Atem sich beruhigte. Papst Innozenz höchstselbst hatte ihn, Francesco Borromini, beauftragt, für den Erhalt von Sankt Peter Sorge zu tragen. Damit war er dem Dombaumeister gleichgestellt, autorisiert von Gottes Stellvertreter. Er trank noch einen Schluck Wein und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. Wer weiß, vielleicht konnte er Bernini sogar bald von seinem Platz verdrängen? Er hatte alle Trümpfein der Hand. Er brauchte in der nächsten Sitzung der Baukongregation nur schonungslos Berninis Fehler offenzulegen und ihn gleichzeitig anhand seiner eigenen Vorschläge als elenden Scharlatan zu entlarven. Er wusste ja, wie man die Aufbauten entlasten und die Fundamente verstärken musste. Und alle Welt würde begreifen, dass kein anderer als er,

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