Die Principessa
Täuschung hereingefallen, obwohl ich Ihren Entwurf kannte. Es ist ein solches Wunderwerk, genau wie der Monsignore sagt: verblüffend für die Sinne, belehrend für den Verstand.«
»Sie waren im Palazzo Spada?«, fragte er misstrauisch. »Was haben Sie da gewollt?«
»Ich habe mit dem Monsignore über Sie gesprochen. Über Sie und über Signor Bernini. Der Monsignore ist der Meinung, Sie und der Cavaliere sollten …«
»Was fällt Ihnen ein, sich in meine Angelegenheiten zu mischen!«, brauste er auf. »Glauben Sie, dass ich Ihre Hilfe brauche?«
»Natürlich nicht«, sagte sie und stellte den Leuchter auf den Tisch, »und wenn ich mir erlaube, mich in Ihre Angelegenheiten zu mischen, dann nur aus Sorge um Ihr Werk. Sie dürfen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, Sie müssen einen Kompromiss mit Bernini finden! Sonst geht es den Römern beim Anblick des Glockenturmes wie den Betrachtern Ihrer Kolonnade:Alles verhält sich in Wirklichkeit anders, als es nach außen hin scheint.«
»Und dafür soll ich mich zum Handlanger eines Scharlatans machen?«
Clarissa schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was man Ihnen antun wird. Die Leute wollen Menschen wie Sie nicht dulden, Menschen, die sich nicht anpassen, die sich mit nichts begnügen außer mit dem Vollkommenen.«
»Was kümmert mich das Geschwätz der Leute?«
»Sie haben so viel erreicht, Signor Borromini, als Steinmetz haben Sie angefangen und jetzt sind Sie ein berühmter Mann. Doch wenn Sie nicht nachgeben, werden Sie eines Tages wieder als Steinmetz arbeiten.«
»Wieso? Das ist absurd!«
»Ich wollte, es wäre so, aber Sie irren sich. Sie glauben, der Abriss des Glockenturms ist Ihre große Chance? Nein, Signor, er wird Ihr Todesurteil sein. Die Menschen werden Sie dafür hassen, man wird Sie vernichten – und das möchte ich auf keinen Fall mit ansehen. Aber was ist das?«, unterbrach sie sich plötzlich, als ihr Blick auf einen Plan fiel, der neben dem Leuchter ausgebreitet auf dem Tisch lag. »Das ist ja der Turm …«
»Das ist nicht für fremde Augen bestimmt«, sagte er und bedeckte die Zeichnung mit einem großen ledergebundenen Buch.
»Ich glaube nicht, dass das im Sinne Ihres Freundes ist«, sagte sie und schob den Folianten beiseite. »Da brauchen Sie mich gar nicht so böse anzusehen – ich habe die Bücher von Ihrem Seneca inzwischen gelesen und weiß, was er lehrt: Wer sich selber treu bleiben will, darf sich nicht von seinen Gefühlen hinreißen lassen, sondern soll allein der Vernunft folgen. Aber was rede ich? Sie haben ja längst getan, worum ich Sie bitten wollte.« Sie rückte den Leuchter näher heran und beugte sich über die Zeichnung. Ja, kein Zweifel, das war die Überarbeitung des Turms – sorgfältig waren die Korrekturen mit Graphit in denRötelentwurf eingezeichnet. »Ich hatte so sehr darauf gehofft. Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
»Das ist nur eine Skizze und hat nichts zu bedeuten.« Verärgert nahm er das Blatt vom Tisch, rollte es zusammen und legte es in ein Regal.
»Wirklich nicht? Das glaube ich nicht.« Clarissa schaute ihn an. »Angenommen, Papst Innozenz lässt offiziell erklären, dass Sie und Cavaliere Bernini gleiches Verdienst um den Glockenturm haben, würden Sie dann helfen, für seinen Erhalt zu sorgen?«
»Warum sollte der Papst eine solche Erklärung abgeben?«
»Ich könnte mich bei Donna Olimpia für Sie verwenden. Ich bin sicher, wenn ich sie bitte …«
»Sie wollen Donna Olimpia
bitten
? Das verbiete ich Ihnen! Ich habe noch nie in meinem Leben einen Menschen um irgendetwas gebeten. Schon gar nicht um Dinge, die mir zustehen.«
»Herrgott, Signor Borromini, können Sie nicht einmal Ihren Stolz vergessen?«
»Ich will keine Almosen, sondern Gerechtigkeit.«
»Und Ihre Träume, was ist mit denen?«, rief sie. »Als ich Sie kennen lernte, hatten Sie so wunderbare Ziele, Sie und Signor Bernini. Nein, widersprechen Sie nicht!«, schnitt sie ihm das Wort ab, als er den Mund aufmachte. »Sie wollten zusammen das neue Rom errichten, den Vorgarten des Paradieses, selbst Michelangelo wollten Sie übertreffen. Und jetzt haben Sie es in der Hand, diesen Traum zu verwirklichen. Sie zwei sind die größten Baumeister der Stadt, vielleicht sogar der Welt. Wenn Sie miteinander statt gegeneinander arbeiten, gibt es nichts, was Sie aufhalten kann. Der Turm ist ein Fingerzeig Gottes! Zögern Sie nicht länger – tun Sie, was Ihnen aufgetragen ist!«
Er erwiderte ihre Blicke mit einem so
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