Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
wie Zwillinge, die die Vorsehung für alle Zeiten miteinander verbunden hatte.
    »Dann wollen wir jetzt das Fazit ziehen«, sprach der Papst von seinem Thron herab, als Francesco in seiner Rede innehielt.
    Auch Innozenz schien sichtlich erleichtert. Ohne auf die technischen Einzelheiten einzugehen, wies er Monsignore Spada an, für die Umsetzung und Abstimmung der nötigen Maßnahmen zu sorgen.
    Lorenzo leistete an diesem Morgen ein zweites Mal innerlich Abbitte und schwor bei allen Heiligen, Innozenz persönlich mit Wegerichwasser zur Heilung seiner skrofulösen Haut zu versorgen, als der Papst plötzlich mit strenger Miene das Wort an ihn richtete: »Dann besteht wohl kein Anlass mehr, dass du Rom verlässt, Cavaliere Bernini?«
    Von aufrichtiger Reue ergriffen, beugte Lorenzo sein Haupt: »Ich werde alles in meinen Kräften Stehende tun, Heiliger Vater, um Fehler, so ich mir denn welche vorzuwerfen habe, alsbald wieder gutzumachen.«
    »Rom verlassen?«, fragte Francesco Borromini irritiert. »Offen gestanden, ich verstehe nicht recht.«
    »Der französische Hof«, erklärte Virgilio Spada, »hat den Cavaliere nach Paris gerufen.«
    »Als Bildhauer des Königs«, fügte Lorenzo hinzu und schüttelte die Locken in seinem Nacken, »auf Veranlassung von Premierminister Mazarin.«
    Als er Francescos Miene sah, wusste er, dass er besser geschwiegenhätte. Francesco wurde bleich, und seine Augen zuckten vor Erregung.
    »Das geht auf gar keinen Fall«, erklärte er mit seinem schlimmsten Mauleselgesicht. »Nicht bevor das Urteil in dieser Sache gesprochen ist. Es besteht sonst Gefahr, dass der Beschuldigte sich der Bestrafung entzieht.«
    »Ich?«, rief Lorenzo empört. »Mich der Bestrafung entziehen? Welcher denn? Sie haben doch eben in Ihrem Gutachten selbst gesagt …«
    »Wie auch immer«, unterbrach ihn Francesco, als wäre Lorenzo sein Schüler, »der französische Hof soll warten!«
    »Ich glaube nicht, dass mein ehemaliger
assistente
darüber zu entscheiden hat!«, platzte Lorenzo heraus und verfluchte im nächsten Augenblick zum zweiten Mal seine vorschnelle Zunge. Herrgott, was war nur in ihn gefahren? Er wollte ja gar nicht nach Paris, im Gegenteil, er war heilfroh, in Rom bleiben zu dürfen. Aber noch weniger hatte er Lust, sich vorschreiben zu lassen, was er wollte und was nicht. »Ich fahre, wohin es mir passt!«
    »Der französische Hof soll warten«, insistierte Francesco, »oder einen anderen Künstler berufen! Cavaliere Bernini ist ja nicht der einzige Bildhauer auf der Welt.«
    Diese Frechheit war eine gezielte Provokation. Plötzlich war Lorenzo ganz ruhig und kalt.
    »Und – haben Sie vielleicht einen Vorschlag, Signor Borromini? Wenn der erste Künstler Roms Ihrer Meinung nach nicht die Stadt verlassen darf, wen schicken wir dem König von Frankreich dann? Vielleicht« – er machte eine kurze, bedeutungsvolle Pause, bevor er weitersprach – »einen Steinmetz?«
    »Ich glaube«, sagte Monsignore Spada, »wir sollten wieder zum Thema zurückkehren.«
    »Allerdings«, pflichtete Francesco ihm bei. »Und wenn Sie erlauben, würde ich meine Ausführungen jetzt gern beenden.«
    »Beenden?«, fragte Spada verwundert. »Ich dachte, das sei bereits geschehen.«
    »Keineswegs«, erwiderte Francesco. »Die wesentlichen Schlussfolgerungen fehlen noch.«
    Lorenzo sackte auf seinem Stuhl zusammen. Was war er nur für ein Idiot! Er wusste, was jetzt geschehen würde – und es geschah. Mit kurzen, scharfen Sätzen, die wie Messerstiche in Berninis Herz drangen, fuhr Borromini mit seinem Gutachten fort: Der Turm, so behauptete er, sei dreimal so hoch und sechsmal so schwer wie vom Vorgänger geplant – ohne dass die Fundamente in irgendeiner Weise verstärkt worden seien. Damit nicht genug, bestehe ein weiteres, ja das hauptsächliche Problem darin, dass die Aufbauten nicht auf Madernos Substrukturen abgestimmt waren – der Campanile ruhe nicht nur auf den Turmjochen, sondern belaste außerdem die Südecke der Fassade und die innere Quermauer der Vorhalle. Um seine These zu veranschaulichen, ließ Francesco eine Zeichnung herumreichen, die den Grundriss des Südturms auf das nördliche Untergeschoss applizierte, wodurch die übergroße Belastung der Unterbauten für jeden unzweideutig auf einen Blick zu erkennen war.
    »Mit einem Wort«, schloss er seine Ausführungen, »es ist jederzeit mit dem Einsturz des Turmes zu rechnen. Der Campanile muss abgerissen werden! Nur so können wir Schaden von Sankt Peter

Weitere Kostenlose Bücher